# Wenn der Vorhang fällt
TWISTED REALITY, HOPELESS INSANITY - Druckversion

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TWISTED REALITY, HOPELESS INSANITY - Robert Downey Jr. - 20.08.2021

Twisted reality, hopeless insanity
I told you I was okay, but I was lying
NATALIE DORMER & ROBERT DOWNEY, JR # ROBERTS HAUS # LOS ANGELES, USA # 25. DEZEMBER 2018 # ABENDS


Über den Bildschirm flimmerte diese Szene. Die ganz berühmte, die wirklich jeder kannte. Macaulay Culkin, klein und schmächtig, klatschte sich mit den Handflächen auf die Wangen seines schmalen Gesichts. Dann riss der Junge die Welpenaugen weit auf und fing an wie am Spieß zu schreien. Wenn Exton und Avri jetzt hier gewesen wären, dann hätten sie nun schallend losgelacht. Die Kinder hätten aufgeregt gekreischt vor lachen und selbst Susan hätte diese Szene aus dem ersten Home Alone-Teil ein Schmunzeln entlockt. Zunächst hätte die Brünette, wenn sie denn jetzt hier gewesen wäre, vermutlich mit den Augen gerollt. Schließlich hatte dieser ganze Film mittlerweile einen endlos langen Bart. Doch dann hätte die Szene – oder zumindest die freudige Reaktion ihrer Kinder auf die Szene – die Produzentin zumindest verhalten kichern lassen. Der Schrei des kleinen Kevin verstummte und niemand lachte. Nicht laut und auch nicht leise. Und wie auch? Sie waren ja schließlich nicht hier. Weder Exton noch Avri noch Susan. Niemand. Robert nahm einen großen Schluck von seinem Whisky, die Miene finster und den Blick unverändert starr auf den Fernseher gerichtet. Dort bestach der blutjunge Macaulay Culkin noch immer mit seinem Talent. Doch Robert sah nicht richtig hin. Seine braunen Augen hatten etwas Gläsernes. Es war Weihnachten und niemand war hier. Wobei … Nein. Nein, das stimmte nicht. Das stimmte natürlich nicht! RDJ drehte den Kopf langsam ein wenig. Die Bewegung wirkte fast schwerfällig. Der Amerikaner genehmigte sich noch einen Schluck von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Über den Rand seines Glases hinweg sah der Schauspieler Natalie an. Sie war hier und sie war ganz bestimmt nicht niemand. Schuld und Scham heizten dem Iron Man-Darsteller einen Moment lang mehr ein als der Alkohol es tat. Natürlich war die Blondine nicht niemand! Der Schauspieler versuchte die nagenden Gefühle mit noch mehr Alkohol hinunter zu spülen. So hatte er das nicht gemeint! Im Gegenteil, die Britin gehörte zweifelsohne sogar zu den wichtigsten Menschen in Roberts Leben! Auf einer Unglaublichkeitsskala von 0 bis 10 war diese Frau eine 11. Mit ihrer Stärke, ihrer Entschlossenheit und auch ihrem Humor. Die Engländerin war schlagfertig und loyal. Eine waschechte Individualistin. Davon einmal ganz abgesehen, liebte Robert Natalie auch schlicht und ergreifend. Doch zumindest Averi und Exton sollten jetzt einfach hier sein und Nats Anwesenheit ließ Robert die Abwesenheit der Kinder nicht vergessen.

Ja, Avri und Exton sollten jetzt hier neben ihrem Vater auf der Couch sitzen und sich vor lachen schier kringeln. Die Geschwister sollten heute bei ihm sein. Susan, nun, sie war die Mutter seiner jüngsten Kinder, RDJ verdankte ihr unheimlich viel, er respektierte sie enorm und er mochte sie auch nach wie vor noch sehr gerne. Doch auf ihre Anwesenheit hätte Robert grundsätzlich schon verzichten können, wenn er es gemusst hätte. Die Produzentin würde immer ein Teil seines Lebens sein, allein schon wegen der Kinder. Ein wichtiger Teil und einer, der dem Iron Man-Darsteller durchaus noch immer am Herzen lag. Doch Susans Abwesenheit jetzt gerade brach RDJ nicht das Herz. Indio, seinen ältesten Sohn, hätte Robert hingegen an sich schon sehr gerne bei sich gehabt. Doch der Junge war eigentlich kein Junge mehr, sondern ein erwachsener Mann. Indio hatte demnach auch seine eigenen Vorstellungen wie er das Fest der Liebe feiern wollte und sein Vater respektierte diese Vorstellungen. Wenn der Musiker Weihnachten lieber mit seiner Gitarre und seinem Bandkollegen anstatt mit seinem alten Herrn feiern wollte, dann war das für den Amerikaner in Ordnung. Er konnte und wollte den Rockmusiker nicht bevormunden. Die Abwesenheit von Susan und Indio konnte der Amerikaner also ganz gut verkraften, aber Avri und Exton sollten jetzt wirklich bei ihrem Dad sein! Sie sollten sich die Home Alone-Filme anschauen und The Muppet Christmas Carol und währenddessen sollten sie vergnügt quietschen. Die Geschwister sollten bunt dekorierte Kekse in sich hineinstopfen und an Zuckerstangen knabbern. Sie sollten nach Geschenken quengeln und naiver Weise auf Schnee hoffen. Sie sollten … Eben einfach hier sein!

Ohne wirklich viel Hoffnung zu haben, sah Robert auf das Display seines Handys. Keine neuen Nachrichten. Kein verheißungsvolles 'Sitzen jetzt im Flugzeug!' Natürlich nicht, sowas hätte sein Mobiltelefon ja auch angekündigt. Der Schauspieler verzerrte dennoch missbilligend das Gesicht und seufzte. Was sollte er mit all den fröhlichen Nachrichten, welche Verwandte und Freunde ihm im Laufe des Tages bereits geschickt hatten? Elektronische Weihnachtskarten. Halbherzige Dreizeiler und abgedroschene Gedichte. Kleine Videos, in denen animierte Rentiere die Hauptrollen spielten. Bilder von getigerten Katzen, die Weihnachtsmützen trugen. Fotos von festlich gekleideten Familien, die dümmlich in Kameras grinsten. Alles, was der Schauspieler wollte, war eine Nachricht von Susan, dass sie und die Kinder es heute doch noch schaffen würden. Eine Textnachricht, einen Anruf, irgendwas. Stattdessen hörte der Schauspieler noch immer, auch Stunden später, die belegte Stimme seiner Ex-Frau. Susan, die ihm bei dem verheerenden Telefonat von dem Schnee erzählt hatte, welcher den Rückflug nach Los Angeles erschwerte. Dieses Telefonat lag jetzt einige Stunden in der Vergangenheit. Der Iron Man-Darsteller brummte leise vor sich hin und führte das Glas erneut zu seinen Lippen. Zunächst hatte Robert mit dieser Neuigkeit noch recht gut umgehen können. 'Was soll's?' hatte er sich gedacht und 'Dann verspäten sich Susan und die Kinder eben ein wenig. Das ist okay. Für das Wetter kann ja schließlich auch niemand was.' Doch irgendwann war Roberts Geduldsfaden dann gerissen. Das hatten auch Susans Updates der letzten Stunden nicht verhindern können. Wie auch? Die Lage in Illinois hatte sich letztlich nie verändert. Es hatte geschneit und schneite noch immer. Nur Roberts Gemütslage hatte sich eben deutlich verändert. Sie war finsterer geworden. Er saß im Wohnzimmer auf der Couch, umgeben von bunter Weihnachtsdekoration. Überall glitzerte und funkelte es. Lametta, wo man auch hinsah. All das kam dem Iron Man-Darsteller mittlerweile komplett leer und bedeutungslos vor. Es war fast schon so als würde dieser dumme Tannenbaum ihn verhöhnen! Mit all seinen Kugeln und Schleifen und Glöckchen! Robert war wütend und gereizt. Angetrunken und viel zu clean für seinen momentanen Geschmack. RDJ knirschte mit den Zähnen und verengte die Augen zu Schlitzen. Man hätte denken können, dass er den kleinen Kevin McCallister abgrundtief hasste. Wahrscheinlich war Susan ganz froh, dass es so schneite. Dann konnte sie mit seinen Kindern bei ihrer ach so tollen Familie bleiben. Irgendwo wusste der Schauspieler, dass solche Gedanken paranoid waren und dass er sich gerade in irgendwelche wirren Ideen hineinsteigerte. Doch irgendwie blieb das gar nicht aus.

Ein Geräusch neben ihm, die Engländerin hatte sich bewegt und die Couch hatte die Bewegung mit einem leisen Ächzen kommentiert, ließ Robert zusammenzucken und riss ihn kurzzeitig aus seinen düsteren Gedanken. Er fuhr herum und sein Blick traf den von Natalie. Der Amerikaner runzelte die Stirn. Was war dieser Ausdruck in ihren Augen? Besorgnis? Mitleid? Reue? Bereute die Engländerin, etwa dass sie jetzt hier war? Da begriff der Amerikaner – und zumindest für den Bruchteil eines Augenblicks war ihm diese Erkenntnis nicht gleichgültig. Oh Natalie! Was tat er hier nur? Roberts schlechtes Gewissen stand hinter einem Schleier aus Alkohol und ruderte wild mit den Ärmchen. Es war auch ihr Weihnachten und er versaute es. Die Schauspielerin könnte jetzt bei ihrer Familie in England sein. Oder das Fest der Liebe mit ihrem Busenfreund Harry Styles verbringen. Wie diese Feier wohl aussehen würde? Der Amerikaner grinste ein wenig gehässig. Wahrscheinlich würden Natalie und Harry sich gegenseitig die Fingernägel in weihnachtlichen Farben ('Rudolphrot' und 'Mistelzweiggrün') lackieren! Oh, verdammt, wahrscheinlich hätte Nat dabei sogar mehr Spaß als jetzt hier mit ihrem Freund. RDJs Grinsen verblasste. Er dachte nun etwas ernsthafter über diese Vorstellung von Nat und Harry nach. Vielleicht würden die Blondine und ihr Landsmann Weihnachtslieder singen. Dabei hätte die Britin definitiv mehr Spaß als im Augenblick mit ihm. Robert holte tief Luft. Eigentlich … Eigentlich könnte er das auch! Mit Natalie singen! Während sie weiter auf Neuigkeiten von Susan warteten! Der Amerikaner ging vielleicht nicht auf Tour oder trat in großen Stadien auf, doch er hatte sich bereits als Musiker versucht. Er hatte ein Album veröffentlicht! Und seine Version von Joni Mitchells River wurde zu dieser Jahreszeit verhältnismäßig oft im Radio gespielt, denn der Song war ein Weihnachtslied! Da! Ein Weihnachtslied! RDJ wär prädestiniert dazu mit Nat ein Ständchen zu singen! Er am Klavier, die Britin am Glockenstab. Für den Bruchteil einer Sekunde war der Iron Man-Darsteller wirklich angetan von seiner Idee und er wollte sie der Engländerin vorschlagen. Sowas wie Adrenalin schien in seinen Venen zu tanzen. Vor seinem inneren Auge sah der Amerikaner wie viel Spaß sie haben würden. Ja, sie würden vielleicht nicht alle Töne treffen, aber genau darüber lachen können. Sie … Doch dann erlosch das Feuer wieder. Die Schwerkraft zerrte an Robert und zog ihn zurück auf den Boden, wo sie ihn festkettete. Letztlich war sie wohl einfach zu mächtig und er konnte sich aus dieser traurig-gereizten Stimmung nicht befreien. Positive Gedanken konnten wie Seifenblasen kurz in seinem Bewusstsein aufsteigen, doch wie Seifenblasen zerplatzen sie dann auch wieder schnell. Roberts Blick war noch immer auf Natalie gerichtet. Die Vorstellung jetzt irgendein fröhliches Lied über Santa und seine kleinen Helfer zu singen, kam ihm bereits jetzt schon wieder komplett unrealistisch und nahezu absurd vor. Was Robert bereute. Er sollte ein besserer Freund sein, doch er wusste nicht wie, er konnte nicht. Heute Abend nicht. In seinen braunen Augen stand eine Entschuldigung geschrieben, die der Amerikaner dann auch aussprach. „Es tut mir leid. So hast du dir Weihnachten sicher nicht vorgestellt.“ meinte er und Roberts Entschuldigung war so aufrichtig wie sein Blick eindringlich war. In diesem Moment war die Wut fast vergessen. Doch dann zerfetzte RDJs Handy die Stille zwischen den Schauspielern. Wieder nur so ein albernes Video! Schlecht animierte Wichtel betranken sich in einer Kneipe. Kopfschüttelnd starrte Amerikaner auf den kleinen Bildschirm. Als er die Britin dann wieder ansah war von dem friedfertigen Robert, dem seine Versäumnisse Natalie gegenüber wirklich leid taten, nicht mehr viel zu sehen. Sein dunkler Zwilling war wieder da und so schnell würde er wohl auch nicht wieder verschwinden.