# Wenn der Vorhang fällt
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LET THE CHRISTMAS SPIRIT RING - Billie Eilish - 16.09.2021

Let the Christmas spirit ring
Later we'll have some pumpkin pie
And we'll do some caroling
BILLIE EILISH & DOMINIC HARRISON # EINE SHOPPINGMAL # LOS ANGELES, KALIFORNIEN # 10 DEZEMBER 2018 # FRÜHER ABEND


I don't want a lot for Christmas Mariah Careys Stimme plärrte aus den Boxen. All I Want for Christmas Is You . Einer dieser Evergreens. Ein Lied so süß und klebrig wie eine bunt gestreifte Zuckerstange mit Pfefferminz-Geschmack. „Was haltet ihr hiervon?“ Billie, die gerade noch eine dralle Blondine dabei beobachtet hatte wie diese sich und ihr mit Paletten besetztes Kleid kritisch im Spiegel betrachtete, sah nun zu ihrem Bruder. Finneas hielt ein Paar klobige Ohrringe in die Höhe und schaute unschlüssig in die Runde. Der sehr pinke Schmuck funkelte im künstlichen Licht des Geschäfts. Billie musterte den schimmernden Strass einen Moment lang mit hochgezogenen Augenbrauen. Dann schüttelte der Teenager entschieden den Kopf und schielte zu Dom, der ebenfalls nicht besonders begeistert aussah. Billies großer Bruder hob daraufhin die Hände, so wie es ein Verbrecher tat, der sich zähneknirschend der Polizei stellte. „Ich weiß, ich weiß. Barbie hat angerufen und will ihren hässlichsten Schmuck zurück.“ Der Amerikaner rollte mit den Augen. „Ihr müsst es nicht sagen, eure lange Gesichter sagen schon genug.“ Finneas seufzte. „Einen Versuch war's wert.“ Schließlich zuckte er resigniert mit Achseln und hing die Ohrringe gewissenhaft an ihren Platz zurück. Dorthin, wo sie mit anderem Modeschmuck aus Glas und Plastik wiedervereint waren. Während Mariah nun sehr Radio-freundlich darüber sang, dass Weihnachtsgeschenke ihr nicht besonders wichtig waren, waren Dominic und die O'Connell-Geschwister auf der Suche nach ganz genau solchen. Genauer gesagt suchten sie im Augenblick vor allem ein Geschenk für Doms aktuelle Flamme Halsey. Wieder huschten Billies Blicke zum Engländer hin, über dessen Kopf rote und grüne Lichter unermüdlich blinkten. Dom, der natürlich auch an diesem Tag sein wunderbar durchgeknattertes Selbst war und mit seinem exzentrischen Aussehen in diesem Mikrokosmos aus braven Einheits-Looks auffiel. Mit den bunten Haaren und dem grellen Make-up hätte Dom problemlos als das Kind vom Joker und von Harley Quinn durchgehen können. Der krasse Gegenentwurf zum angesagten 0815-Typen mit adrett gekämmten Haaren und betont lässigem Drei-Tage-Einheits-Bart war Dom auf jeden Fall. Er rannte keinen Trends hinterher und passte seinen Style nicht an das an, was die GQ ihm gerade vorschrieb. Nein, Dom war er selbst. Auch was seinen Charakter anging. Andere Leute schminkten sich, da Lidschatten, Lippenstift und Rouge ihnen half in die Rolle zu schlüpfen, die sie spielen wollten. Das nette Mädchen von nebenan mit den blonden Strähnen und dezent geschminkten Lippen. Nur ein wenig schimmernder Gloss in Babyrosa. Mit jeder Schicht Schminke verschwand das echte Mädchen mehr und mehr. Jenes Mädchen, welches vielleicht gar nicht in einem fröhlich-melodischen Singsang sprechen und immer brav die Nachbarn grüßen wollte. Dieses Mädchen wurde unter Foundation begraben und machte so den Platz für das populärste Mädchen der Nachbarschaft frei. Dominic hingegen schien sich zu schminken, um die Person zu betonen, die er wirklich war. Um sein authentisches Ich zu unterstreichen. Klar, man konnte niemandem in die Seele sehen und vielleicht war der Look des Briten am Ende doch nichts anderes als ein ausgeklügelte Plan, mit dem er bei irgendwelchen Goth-Mädchen landen wollte. Doch auf die junge Amerikanerin wirkte es eben nicht so. Vielleicht auch ein wenig, weil ihre Variante der Wahrheit ihr auch einfach besser gefiel als die Vorstellung, dass Dominic letztlich doch nur manipulativen Poser war. Vielleicht war es naiv. Schrecklich teenager-naiv. Vielleicht verklärte Billie den Briten auch ein wenig. Doch wenn dem so war, dann wollte die Amerikanerin davon auch nicht abrücken. Sie mochte den Engländer mit seiner Authentizität und der chaotischen Energie. Mit aufeinander gepressten Lippen legte Billie den Kopf etwas schräg und betrachtete den Musiker, der jetzt das Wort an Finneas gerichtet hatte und direkt vor diesem stand. Halsey … Die junge Amerikanerin kannte Halsey nicht besonders gut. Sie war mit ihrer Musik vertrauter als mit der Frau selber. Doch Halsey musste schon ziemlich cool sein, wenn sie einen Freund wie Dominic hatte. Folgerichtig würden die Freunde dann auch ein ziemlich cooles Geschenk finden müssen! Das war alles, was Billie (zu sich selber) hatte sagen wollen. Darauf hatte die Amerikanerin hinausgewollt. Cooler Dom = Coole Freundin = Hier war cooles Geschenk angebracht! Wirkli …

„Billie!“ Der Bruder des Teenagers rief ihn. „Wenn du damit fertig bist Dom anzustarren, dann guck dir das mal an.“ Finneas grinste süffisant. Er scherzte nur. Das Herz der Musikerin setzte dennoch einen Schlag aus. Und das Mädchen fühlte sich auch irgendwie ertappt (selbst wenn es dafür keinen Grund gab!). Billie wurde unangenehm warm und ihre Wangen liefen rötlich an. Ihre Blicke sprangen, wie als wäre dies eine erprobte Copingstrategie, zu einem Pappaufsteller hin. Ein lachender Santa mit Rauschebart, krebsrotem Anzug und der geröteten Nase eines Alkoholikers. In der Sprechblase über seinem Kopf stand in großen Lettern 'Ho Ho Ho'. Was auch sonst? „Hey!“ Das Mädchen sah nun zu seinem Bruder. Finneas deutete auf seinen Kopf. Er trug jetzt eine Art Ballonmütze, die von einem altmodisch anmutenden Karomuster geziert wurde. Billies Bruder hatte sich die Mütze bis über beide Ohren gezogen. Was den Umstand, dass die Mütze für seinen Kopf eigentlich viel zu klein, nur noch betonte. „Wie sehe ich aus?“ fragte Finneas mit einem Lachen in der Stimme. Er posierte jetzt regelrecht für Dom und seine Schwester. Deren Daumen wanderten beide nach oben. „Super!“ Zunächst war der Mund der Amerikanerin noch ganz trocken und ihre Finger fühlten sich taub an, doch rasch fand die Musikerin ihr schnodderiges Selbst wieder. „Wenn du wie Ed Gein aussehen willst!“ meinte Billie dann nämlich frech und nun war sie es, die grinste und dabei ein paar weiße Zähne entblößte. Der Tonfall des Mädchens war trocken und lässig, doch es war offensichtlich, dass der Teenager sich innerlich vor Lachen kringelte. „Billie!“ protestierte Finneas, gab dabei jedoch gleichzeitig auch ein glucksendes Geräusch von sich. „Wie soll das denn möglich sein, hä? Das ist immerhin ein Hut für Damen!“ Finneas tat empört, doch seine Schwester sah geradewegs durch ihn durch. Schließlich kicherten beide Geschwisterkinder. Finneas nahm seine protestierende kleine Schwester in den sanftesten Schwitzkasten der Welt und setzte Billie lachend die Mütze auf. „Wenigstens seh ich nicht so aus als würde ich bei Newsies mitspielen wollen! So wie du jetzt!“ Er fing beschwingt damit an die Melodie von Seize the Day aus dem Musical über Zeitungsjungen im New York des späten neunzehnten Jahrhunderts zu summen. In Momenten wie diesen war die besondere Verbindung der Geschwister zueinander schier physisch präsent. Man merkte, dass hier mehr war als nur die üblichen geschwisterlichen Kabbeleien. Kleine Gesten wie Finneas' Grinsen und der Schelm in Billies Augen deuteten auf ein ganzes, glorreiches Imperium aus Insider-Witzen hin. Auf Vertrauen und Verbundenheit. Auf zwei beste Freunde, die zufälligerweise eben auch Geschwister waren.

„Also gut.“ Mit einer fließenden Bewegung nahm Finneas seiner Schwester die Mütze wieder vom Kopf. Billies Haare sahen aus wie ein Vogelnest. Ganz zerzaust und durcheinander. „Keine Barbie-Ohrringe und keine Zeitungsjungen-Mützen.“ Während Finneas sprach, die Hände in die Hüften gestemmt, fuhr das Mädchen sich durchs Haar. Es war der Versuch die Mähne wieder halbwegs zu bändigen. „Aber was denn dann? Was könnte Halsey denn dann gefallen?“ Die Frage galt vor allem Dominic, doch Finneas' Blicke glitten auch immer wieder über das blasse Gesicht seiner Schwester. 'Hey, ich hab mein Bestes gegeben, jetzt seid ihr mal dran' war der Unterton, der in der Stimme des Amerikaners deutlich mitschwang. Die Botschaft kam an. Billie ließ ihre Blicke umherwandern. Da hinten im Regal thronten Weihnachtstassen mit jenen kitschigen Motiven, wie sie auch für Weihnachtskarten Verwendung fanden. Gesattelte Rentiere, verschneite Häuschen mit qualmenden Schornsteinen, kugelrunde Weihnachtsmänner, stilecht mit Säcken voller bunter Geschenke. Nein. Billies Blick fiel nun auf einen Tisch, auf dem Schals mit weihnachtlicher Optik zusammengelegt waren. Eine Frau mit einem pockennarbigen Gesicht und einem pausbäckigen Kleinkind an der Hand betrachtete gerade eindringlich einen solchen Schal. Schneemänner waren darauf zu sehen. Die Dame fuhr immer wieder mit der Hand über den Stoff und schmiegte ihre Wange dann prüfend an den Schal. „Ob das dem Papa wohl als Weihnachtsgeschenk gefallen würde?“ fragte die Frau das Kind, welches stoisch einen Lollipop – oder vielmehr einen giftgrünen Klumpen aus purem Zucker – lutschte. Nein. Dieser Schal würde niemandem gefallen. Dem Papa nicht, Halsey nicht und auch sonst niemandem. Billie ließ die Schulter sinken. Wieder ein Nein. „Keine Ahnung …“ murmelte die Amerikanerin also auf die Frage ihres Bruders hin. Ein Geschenk für Doms Freundin zu finden war echt gar nicht so einfach! Damn, konnte der Brite Halsey nicht einfach einen Kaktus anstatt Rosen schenken oder sowas? Irgendwas cool Unkonventionelles, was nicht viel Arbeit machte? Eine nette Kleinigkeit eben. Billie hätte sich über sowas gefreut. Aber gut, Billie war nicht Halsey. Da ging eine Glühbirne über dem Kopf des Teenagers an. Das Mädchen machte einige Schritte auf den Briten zu. Ihre Turnschuhe quietschten leise bei jedem Schritt. Schließlich stand Billie neben dem Engländer und sah ihn an. Ganz unverhohlen. „Ich glaube du musst der Wahrheit langsam ins Gesicht blicken.“ Billie feixte. Was sie dann sagte meinte sie natürlich nicht ernst, sie wollte Dominic nur ein wenig aufziehen, wenn sie schon kein Geschenk für Halsey finden konnte. „Und ihr irgendeinen stinklangweiligen Gutschein holen.“