28.07.2020, 10:35
xKrampfhaft hielt sich die Brünette an dem Rand ihrer Bettdecke fest. Dachte man an seine Kindheit zurück, dann fühlte man sich doch immer in Sicherheit, wenn man unter seiner Bettdecke lag, oder? Hier war jedenfalls das Gegenteil an der Tagesordnung, denn die Krankenhausdecke war stumpf und beinahe bretthart. Von Gemütlichkeit keine Spur. Außerdem fühlte sie sich aufgrund der weißen Beleuchtung erst recht auf dem Präsentierteller, da brachte auch die Decke nichts. Nachdem der behandelnde Arzt seine Rede geschwungen und den Raum verlassen hatte, wandte sich Anna total verunsichert an ihren guten Freund, welcher scheinbar die ganze Zeit an ihrem Bett gesessen hatte. Mit – eigentlich vollkommen – rhetorischen Fragen überhäufte sie ihn, was eigentlich nicht fair war, denn er konnte erst recht keine Antworten dafür haben. Hoffen tat sie es trotzdem. Zac schien genauso überfordert zu sein wie sie selbst, denn er reagierte gar nicht auf ihre direkt gestellten Fragen. Die 32-Jährige kniff ihre Augen zusammen, denn so recht wusste sie nicht wie sie mit seiner fehlenden Reaktion umgehen sollte. Schließlich fragte er nur, ob sie etwas trinken wollte. Anna nickte stumm und auch sie schaute zu den Flyern, wovon einige zu Boden gefallen waren. Gerade erst hatten die Beiden solch eine Zeit durchgestanden, konnte man ihnen das nochmal zumuten? Die brünette Schauspielerin fühlte sich überhaupt nicht so, als ob sie eingewiesen werden müsste. Als ob sie Hilfe brauchte. Wäre sie so dünn, wie die Ärzte behaupteten, hätten dann Freunde und Familie sie nicht auf ihr ungesundes Aussehen angesprochen? Oder hatte sie dies so gut durch ihre weiten und zu großen Klamotten verstecken können? Sie wusste es nicht. In diesem Moment erhob sich Zac und meinte, dass er gleich zurückkommen würde. Er würdigte sie nicht eines Blickes und verschwand aus dem Zimmer. Hatte sie etwas falsch gemacht?
Nachdem der Jüngere die Tür geschlossen hatte, seufzte Anna lautstark. Sie hatte das Bedürfnis lautstark zu weinen und das kam wirklich nicht oft vor. Sie wollte ihren Frust freien Lauf lassen, aber es passierte nichts. Sie blieb stumm, die Tränen waren versiegt. Beinahe versteinert war ihre Mimik. Es vergingen einige Minuten, was das laute Ticken der Uhr in dem kargen Zimmer verriet. Anna erkannte neben sich ihr Smartphone, welches Zac hierhin gelegt haben musste. Sie nahm es sich und versuchte so schonend wie möglich ihren Eltern per Nachricht beizubringen, warum sie im Krankenhaus war. Das mit der angeblichen Magersucht ließ sie erst einmal außen vor. Eine genauere und viel wichtigere Nachricht ging an ihren Bruder Michael, ihn bat sie auch vorbeizukommen. Er war jetzt derjenige, von dem sie erwartete, dass er wusste was zu tun war. Was vor allem das Richtige war. Nach dem Tippen der ewiglangen Nachrichten lehnte sie sich zurück, schloss die Augen und versuchte einfach in sich zu gehen. War sie wirklich magersüchtig? Nein, das würde sie so nicht sagen. Hatte sie ein Problem damit regelmäßig und normal viel zu essen? Ja, das definitiv. Das konnte sie sich eingestehen. Sie schob es nach wie vor auf den Stress. Aber war das Grund genug, um sich in einer Einrichtung behandeln zu lassen? Sie wusste es einfach nicht.
Es vergangen noch einige Minuten, in denen Anna einfach nur leer an die Decke gestarrt hatte. Sonst war sie immer so zielorientiert und direkt, aber jetzt wusste sie einfach nicht, was sie tun sollte. Plötzlich ging die Tür auf, ohne Klopfen. Zac kam wieder herein und hatte eine Flasche Wasser in der Hand. Also, wenn er wirklich nur Wasser holen war, dann hatte das ziemlich lange gedauert. „Ist schon okay.“ – murmelte sie monoton und emotionslos. Sie hatte gerade echt das Gefühl jegliche Lebensfreude verloren zu haben. So kannte sie sich nicht. „Ich habe Michael geschrieben, er wird herkommen.“ – sagte sie schließlich, ihr Blick ging immer noch an die Decke. Die 32-Jährige konnte in dem überfordernden Moment nicht verlangen, dass Zac ihr sofort helfen konnte. Ihr die Entscheidung abnahm! Er wollte ja scheinbar auch nicht auf ihre Aussagen antworten. „Dann kannst du auch mal nach Hause, Maca braucht dich auch. Ich bin dir wirklich dankbar, dass mich die ganze Zeit nicht alleine gelassen hast. Jetzt dreht sich der Spieß um, was?“ – Anna lächelte schief, sie wollte die Situation auflockern. Lustig war dies aber auf keinen Fall. Mit ihren Händen fuhr sie sich unsicher über die Arme, um irgendwie selbst zu verinnerlichen, dass sie zu dünn sein sollte. Es fiel ihr einfach unglaublich schwer diese Aussage zu akzeptieren, geschweige denn zu glauben.