01.10.2020, 02:34
Rhetorische Frage. Tims Nervosität war unübersehbar. Armie war mehrmals versucht, ihm die Hand auf das wippende Knie zu legen und ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er vor sich hin zappelte. Allerdings wusste er nur zu gut, dass es keinen Sinn machen würde. Diese Art aufgekratzte Energie kannte gut genug, um zu wissen, dass sie sich auf diese Art ein Ventil suchte und es den Jungen nur noch mehr unter Druck setzen würde, wenn er sich auch noch Gedanken darum machen musste, seine Gliedmaßen unter Kontrolle zu halten. Also sparte der Blonde sich den unnötigen Versuch. War ja auch irgendwie niedlich, den Lockenkopf dabei zu beobachten, wie er diesem Event entgegen fieberte. Die kleinen, fahrigen Bewegungen, sein Gesicht, das einmal mehr einem offenen Buch glich… Himmel, Tim sollte wirklich niemals Poker spielen. Dabei wäre der Ältere niemals auf die Idee gekommen, dass er Auslöser dieser Nervosität sein könnte. Oder seine Anwesenheit zumindest einen großen Teil davon ausmachte. Sie hatten nie wieder darüber geredet, was damals in Crema passiert war. Und dieser Abend wäre sicherlich nicht der richtige Anlass gewesen, damit anzufangen. Man konnte Mr. Hammer in diesem Moment wohl positiv zuschreiben, dass er in manchen Dingen eben doch das war, was man als “typisch Mann” bezeichnen mochte. Er dachte einfach nicht mehr darüber nach. Hatte verdrängt. Konnte er wirklich gut. Und so war es auch überhaupt kein Problem gewesen, als Timothée gefragt hatte, ob er ihn an diesem Abend begleiten würde. Wieso auch? Nur, weil Liz recht gereizt auf die Ansage reagiert hatte, dass sie ihren Mann heute nicht würde begleiten können? Oder weil er viel zu viel Zeit damit verbracht hatte, sein Outfit für den heutigen Abend auszuwählen? Viel zu viel Geld für diesen Anzug ausgegeben hatte, obwohl er nicht einmal selbst nominiert war? Eventuell einen Schluck Bourbon zu viel getrunken hatte, weil er letzte Nacht nicht schlafen konnte? Nervös? Wegen einigen Stunden, zusammen mit Timmy? Er? Hpfffff. Niemals. Sie hatten 14 Monate zusammen auf engstem Raum verbracht. Ohne, dass es in ein Drama geendet wäre. Easy peasy. Er glaubte es fast selbst.
Oder vielleicht doch nicht so Easy. Herrgott, der Junge war echt angespannt. Tims Zusammenzucken, als er ihn ansprach, ließ ihn eine blonde Augenbraue heben, ein amüsiertes Schmunzeln auf den Lippen. Er versuchte, mit aller fachlichen Kompetenz, die ihm seine Jahre im Business eingebracht hatten, Ruhe und Zuversicht auszustrahlen. Half wirklich niemandem, wenn er sich von der Nervosität des anderen anstecken ließ. Am allerwenigsten dem Youngster selbst. Armie versuchte sich daran zu erinnern, wie er sich selbst fühlte, bei seiner ersten Preisverleihung. Er hatte sich danach ziemlich heftig betrunken. DARAN konnte er sich tatsächlich noch erinnern. Nichts, was er dem Freund gerade unbedingt anraten wollte.
Sein Lächeln wurde wärmer, als er dessen Worten lauschte. Noch immer ganz der bescheidene, schüchterne Junge. Er liebte Tim für seine Natürlichkeit, seine Bodenständigkeit und diese Weirdness, die ihn umgab, wenn er sich in dieser Umgebung bewegte, die so sehr zu ihm gehörte und in der er doch immer noch so fremd und jung wirkte… In diesem Moment hoffte er einmal mehr, dass sich diese Dinge niemals verändern würden. Dass diese bewundernswerte Bodenhaftung, dieser liebenswerte Charakter sich trotz des Erfolges niemals veränderten. Denn Erfolg würde Timothée sich erarbeiten. Da war Armie sich so sicher, wie er wusste, dass er niemals an den Erfolg des Jüngeren heranreichen konnte. Er besaß nicht dieses unglaubliche Talent, das dem Chalamet in die Wiege gelegt worden war und das er durch harte Arbeit perfektioniert hatte. Keine Illusion. Kein Neid. Im Gegenteil. Er war unglaublich stolz auf den Lockenkopf. Und eine Ehre, an solchen Abenden neben ihm stehen zu dürfen, als sein Freund. Und bezüglich dieser angedrohten Rede… “Oh? Ich hoffe, du erwähnst, dass ich als leuchtendes Beispiel dafür gelte, wie man es NICHT machen sollte.” Armie lachte und schüttelte den Kopf. “Ehrlich, Timmy. Wenn du den Preis nicht abräumst, wer dann? Ich wüsste nicht, wer ihn mehr verdient hat, als du. Also entspann dich, okay? Du rockst das Ding.” Der Wagen hielt an, doch noch gehörte dieser Moment ihnen alleine. Er konnte Menschen kreischen hören, gespannt darauf, wer aus dieser Limousine steigen würde. Nicht lange mehr und sie würden eintauchen, in das Meer aus Blitzlicht und Stimmen, aus Gesichtern, an die sie sich nicht erinnern würden und Aufmerksamkeit, die nicht ihnen selbst galt, sondern nur dem, was sie an der Oberfläche darstellten. Der Zirkus wartete auf sie. Doch einige Atemzüge lang war er noch nicht bereit, sich ihm zu stellen. Seine Augen fanden die des Jüngeren, hielten sie einen Moment fest, bevor sie tiefer tropften. Über scharfe Gesichtszüge glitten, fein geschwungene Lippen, den langen Hals, bis sie den Knoten der Krawatte fanden, an den sich seine Finger nun legten. Ihn gerade rückten, ein klein weniger fester zogen. Das Gesamtbild noch perfektionierten. Ach was. Tim WAR perfekt. Als sich sein Blick zurück in das goldgesprenkelte Grün hob, lächelte er erneut sachte. “Es ist mir eine Ehre, heute hier sein zu dürfen. Danke, dass du mich eingeladen hast. Du siehst großartig aus. Und du wirst sie umhauen. Wenn nicht du, wer dann…”, wiederholt er, sanfter diesmal. Nachdrücklicher. Als die Tür geöffnet wurde, richtete er sich abrupt auf, zog die Hände zurück und räusperte sich, um beschwingt in Richtung Ausgang zu wedeln. “Also dann. Showtime!”
Natürlich ließ er Tim den Vortritt. Das hier war SEIN Abend. Er sollte es genießen, sollte baden, in der Aufmerksamkeit, die alleine ihm galt. Armie selbst wartete fast eine Minute, in der er aus dem Schatten des Autos heraus beobachtete, wie der Dunkelhaarige mit allen Ehren begrüßt wurde, die ihm zustanden. Hände, die sich ihm entgegen reckten, Blitzlichtgewitter, Stimmen, die seinen Namen riefen. Er hätte ihm ewig dabei zusehen können, diesem Star, der unter der Aufmerksamkeit aufblühte. Sich professionell bewegte, Blicke in Kameras warf, lächelte, Perfektionismus… So perfekt… “Mr. Hammer?” Armie blinzelte den Menschen, der ihnen die Tür geöffnet hatte, irritiert an, dann erinnerte er sich daran, dass er ja nicht nur zum Glotzen hier war. “Was? Oh. Ja. Sicher. Sorry.” Er atmete tief ein, dann duckte er sich unter dem Holm des Autos durch und entfaltete seine gesamte Körpergröße aus der Limousine. Es dauerte einen Moment, bis die Anwesenden begriffen, dass Timothée jemanden mitgebracht hatte. Und noch einen, bis sie begriffen, WEN. Er konnte sich nur ansatzweise vorstellen, was morgen auf einschlägigen Charmie-Seiten auf Tumblr los sein würde… Mit professioneller Ruhe trat er, die Hände in den Hosentaschen, auf den Roten Teppich, posierte, lächelte, ließ sich von allen Seiten ablichten, drehte sich brav nach allen Seiten, um schließlich zu dem Freund aufzuschließen. Und natürlich kamen sie um dutzende gemeinsame Fotos nicht drumherum. Das hier hatten sie schon so oft zusammen durchgemacht… Routiniert legte er seine große Hand auf Tims unteren Rücken. Er konnte die Anspannung des schlanken Körpers selbst durch den Stoff hindurch spüren und beruhigend ließ er den Daumen über diesen streichen.