29.08.2021, 08:30
Tim war schon sehr oft sehr dankbar dafür gewesen, dass seine Eltern so liberale Eltern waren. Klar, auch seine Eltern hatten Teenager-Tim so manche Standpauke gehalten. Auch sie hatten ihm nicht jeden Unsinn durchgehen lassen. Aber sie waren nie auf eine schier fanatische Art und Weise streng gewesen. Ganz gleich, ob es um Alkohol oder um durchfeierte Nächte gegangen war. Ein Seitenblick zu diversen Freunden hin und Timothée wusste was er am vergleichsweise relaxten Erziehungsstil seiner Eltern doch gehabt hatte. Damn, er hatte Freunde, die praktisch noch heute Hausarrest hatten und das nur, weil sie es zum Beispiel gewagt hatten mit 18, 19 oder auch 20 Jahren ein paar Schlucke Bier zu trinken! Also da war er schon echt erleichtert darüber, dass Teenager-Tim von den toleranten Eltern erzogen worden waren, von denen Tiny Timmy eben erzogen worden war. Und wenn der New Yorker sich nun Kiernan und ihre Eltern ansah, dann danke Timothée seinen Eltern gedanklich noch tausendmal mehr für deren liberalen Erziehungsstil. Die Eltern der Blondine verteufelten doch praktisch alles was sie tat. Wenn sie trank, wenn sie feierte, wenn sie nicht brav spätestens um 9 Uhr abends im Bett lag oder wenn sie sich nicht möglichst hochgeknüpft anzog. Erin und John würden ihre Tochter für ihr Verhalten immer rügen und die Blondine würde es ihnen nie recht machen können. Außer die Schauspielerin würde wieder eine zuckersüße Grundschülerin werden und anstatt auf Parties wieder auf Barbies abfahren. Tim schnitt eine finstere Grimasse. Es war nicht fair! Erin und John sollten wirklich mal so richtig ihr Fett wegkriegen! Es musste einen Weg geben um sie so richtig zu verarschen. So wie sie es verdient hatten. Nur welchen ....
„Wir sollten was finden, mit dem wir sie nicht nur einmal richtig drankriegen. Irgendetwas, was sie wochenlang, ja wenn nicht sogar Monate nicht gut schlafen lässt.“ Der junge Mann nickte heftig „Ganz genau!“ stimmte er seiner besten Freundin zu. Die Frage war halt nur was man konkret machen konnte. Was der Teenager auch so sah. „Nur was sollte man so lange faken können?“ Während er fieberhaft über genau diese Frage nachdachte, schweiften Timothées Blicke ziellos durch das Zimmer. Aus welchem Grund auch immer fiel der Blick des Schauspielers auf eine einrahmte Fotografie. Das Bild zeigte eine jüngere Version von Kiernan und eine schwarzhaarige Frau, die etwa in Erins Alter sein musste. Die untersetzte Frau hatte einen ihrer braungebrannten Arme um die Schultern der Blondine gelegt. Beide strahlten um die Wette. Vielleicht war diese Lady eine Verwandte des Teenagers oder eine Freundin der Familie. Eventuell war sie aber auch eine Kostümbildnerin oder Produktionsdesignerin, welche die Amerikanerin sozusagen auf der Arbeit kennengelernt hatte. Konnte Tim es wissen? Nein, denn Kiernans Leben als Mädchen und ihr Leben als Schauspielerin waren komplett miteinander verwoben, sodass man mittlerweile gar nicht mehr wusste wo das aufhörte und die Schauspielerin begann. Was die Amerikanerin ihren Eltern "verdankte". Grundsätzlich war die Schauspielerei etwas Tolles, doch es war nicht richtig, was Erin und John ihrer Tochter abverlangten. Sie sollte wie ein Roboter funktionieren und, wenn es nach ihren Eltern gegangen wäre, dann hätte sie sich trotz harter Arbeit und viel Disziplin vor der Kamera niemals dahinter amüsieren dürfen! Bestimmt lag Erin und John auch viel an ihrer Tochter. Timothée hatte schließlich selber erlebt, dass sie auch freundlich und fürsorglich sein konnten. Doch manchmal hätte man viel zu leicht denken können, dass die Schauspielerin Kiernan Erin und John wichtiger war als die Tochter Kiernan. Etwa wenn sie ständig um das Girl-Next-Door-Image der Blondine besorgt waren und nicht einsehen wollten, dass ein Teenager auch mal Spaß haben wollte – und sollte! Selbst wenn dieser Spaß mit Parties und Jungs einherging. Daher hatten Erin und John es eben echt einfach verdient mal so richtig verarscht zu werden. So richtig. Am besten über Monate hinweg. Nur blieb die Frage ... Wie?
Tim konnte keine Antwort auf diese Frage finden. Seine Gedanken kehrten immer wieder zu der gespielten Schwangerschaft zurück. Etwas Besseres wollte ihm einfach nicht einfallen und dabei wusste er ganz genau, dass diese Idee unterm Strich (und zumindest langfristig gesehen) nicht viel hermachte. Zum Glück hatte Kiernan einen Einfall. Timothée nagte gerade nachdenklich an seiner Unterlippe herum, als die Blondine die grüblerische Stille zwischen ihnen brach. „Tim!“ Kiernan sprach seinen Namen in einem aufgeregten Atemzug aus. Irgendwie verheißungsvoll. Eine neue Spannung lag plötzlich in der Luft. Man konnte die Elektrizität im Zimmer nahezu knistern hören. Kiernan hatte eine Idee. Timothée wusste es. Noch bevor die Blondine es ihm mitteilte. Er wusste es einfach. Und ein nervöses-aufgeregtes Kribbeln breitete sich in seinem Bauch aus. „Ich habs, Darling.“ Sie küsste ihn. Tim lachte ungeduldig auf, nachdem die Amerikanerin sich wieder von ihm gelöst hatte. „Ja?“ Es war ihm nicht entgangen, dass Kiernan ihn 'Darling' genannt hatte, doch er war drüber auch nicht gestolpert. Der Kuss verwirrte ihn ein wenig, aber auch darüber machte der Schauspieler sich im Augenblick keine Gedanken. Tim war einfach zu hibbelig, um sich auf sowas konzentrieren zu können. Er wusste bereits, dass die Amerikanerin eine Idee hatte und folgerichtige wollte er die nun hören! „Wir sind ja so verliebt, verstehst du?“ Tims Augenbrauen zogen sich zusammen. Hä? Nein. Nein, er verstand nicht. So verliebt? Was redete die Schauspielerin denn da? Der junge Mann sah sein Gegenüber irritiert an. „Weißt du wie sie ausflippen, wenn wir ihnen sagen, dass wir jetzt nicht mehr nur fummeln, sondern ein echtes Paar sind? Was meinst du?“ Da fiel der Groschen! Tims Augen wurden groß und seine Lippen verbogen sich zu einem XXL-Grinsen. „Wenn deine Eltern nur wüssten, was für ein Genie von Tochter sie haben!“ meinte der New Yorker und gab ein Geräusch von sich, welches irgendwo zwischen einem Lachen, einem Kichern und einem Glucksen angesiedelt war. „Wir werden wie Romeo und Julia sein! Nur ohne das komische Englisch, das keiner versteht und den Doppelselbstmord!“ verkündete er feixend und in seinen Augen lag ein verschwörerischer Ausdruck. Vor seinem geistigen Auge konnte Tim es schon gestochen scharf sehen: Die entsetzten Gesichter von Kiernans Eltern, nachdem sie erfahren hatten, dass es zwischen ihrer süßen kleinen Tochter und Johns und Erins persönlichem Erzfeind jetzt ernst war! Diese Neuigkeiten würden Kiernans Eltern wurmen! Und wie! Sie würden die goldenen Tage vermissen, in denen Timothée für sie nur ein notgeiler Plagegeist gewesen war. Ein Ärgernis, ein schlechter Einfluss, aber letztlich doch nicht mehr als eine rebellische Phase im Leben ihrer Teenie-Tochter. Jemand, der jeden Tag von der Beziehungs-Bildfläche hätte verschwinden können. Der für einen Vorzeige-Prince-Charming hätte Platz machen müssen. Für einen adretten Jungen, mit dem Kiernan dann hätte richtig anbändeln können. Oh ja, wie würden sie diese Tage vermissen, wenn Tim erstmal Kiernans fester Freund sein würde! „Ich könnte dir so ganz oldschool Liebesbriefe schreiben und du könntest sie irgendwo so liegen lassen, dass deine Eltern diese Briefe praktisch finden und lesen müssten!“ schlug er euphorisch vor. „Stell dir mal ihre Gesichter vor!“ Nun geriet der Stein richtig ins Rollen. „Wir könnten ihnen natürlich auch ganze Chatverläufe voller Liebesbekundungen zuspielen!“ Tims Augen waren noch größer geworden. Es würde so viel Spaß machen kitschige Nachrichten zu verfassen und Kiernans Eltern damit schier in den Wahnsinn zu treiben! Diese ganze Aktion würde ein Heidenvergnügen sein! „Wir müssen natürlich aufpassen, dass wir es nicht übertreiben und dass sie keinen Verdacht schöpfen, aber das kriegen wir sicher hin!“ meinte er zuversichtlich. „Sowas wie die Briefe und dann natürlich das ganze Schauspiel vor Publikum. Die zärtlichen Küsse, die innigen Umarmungen, die langen Telefonate, das Süßholzgeraspel, die 'Ich liebe dich's. Eben alles, was sagt, 'Das hier ist jetzt eine echte Beziehung, gewöhnt euch dran'. All das wird sie total verrückt machen!“ Tim betrachtete seine Partnerin in Crime mit einem Grinsen im Gesicht, welches genauso frech war, wie es selbstbewusst war. Timothée fühlte sich wirklich ein wenig wie der Clyde Barrow zu Kiernans Bonnie Parker. Er nahm die Hand der Blondine und drückte diese. Es fühlte sich so an als würden die Freunde einen Pakt besiegeln. „Babe, ich glaube wir werden ein absolutes Traumpaar sein!“