31.08.2021, 12:51
Es war sehr zuvorkommend von Robert und typisch für ihn, dass er in diesem Augenblick den gleichen beiläufigen Tonfall annahm wie Kristen selbst. So nahm dieses Gesprächsthema nicht den ganzen Raum ein, sondern kam einen wirklich beiläufig vor, obwohl das Auftauchen von Rob’s Eltern eher eingeschlagen war wie eine Bombe. Doch mit dieser Einstellung war die Blonde vermutlich die Einzige in diesem vernebelten Pub, wo es eh wunderlich war, dass man noch die eigene Hand vor den Augen erkennen konnte. Alle Anderen begrüßten die Pattinsons voller Freude über die gelungene Überraschung für das Geburtstagskind. Natürlich glaubte sie dem Briten, dass er wirklich nichts davon wusste, dass seine Eltern heute hier vorbeischneien würden. Mit Sicherheit hätte er ihr das gesagt. Robert wirkte ziemlich abgelenkt, nachdem er der Amerikanerin seine Portion Fish and Chips hingeschoben hatte. Er schien nicht mitbekommen zu haben, dass seine Schwester den Tisch inzwischen verlassen hatte, weswegen er sie jetzt suchte. Kristen schnappte sich eine Pommes, um diese fast gänzlich in Ketchup zu tauchen und zu essen, so konnte Robert erst einmal seinen eigenen Gedanken nachhängen. KStew wollte sich gerade eine weitere Pommes gönnen, da räusperte sich der Ältere. Scheinbar schien er Lizzy gefunden zu haben. „Hey, ähm, wollen wir vielleicht mal kurz rausgehen?“ – fragte er, immer noch in dem gleichen beiläufigen Tonfall, obwohl die Intention seiner Bitte sicherlich nicht so beiläufig war. Die 28-Jährige nickte natürlich, steckte sich schnell die eben genommene Pommes in den Mund und war bereit ihrem Freund zu folgen.
Sie spürte, wie Robert nach ihrer Hand griff und gemeinsam kämpften sie sich durch den Pub, dessen Boden inzwischen mehr klebte als alles andere. Das gute Bier, das hier verschüttet worden war. Kaum befand sich das Paar vor dem Pub, wurde die Luft um Einiges besser. Natürlich war es kalt und der Nieselregen kroch in jede Kleidungsritze, aber damit musste man leben, wenn man sich freiwillig in der britischen Hauptstadt aufhielt. Obwohl der Himmel grau verhangen und es aufgrund der Uhrzeit schon ziemlich dunkel war, hatte Kristen das Gefühl, dass es hier draußen viel heller war. Die rauchigen Nebelschwaden fehlten, sodass man beinahe ungehinderte Sicht hatte. Die Blonde genoss die frische Luft, weswegen sie als Erstes tief einatmete und erst dann das Geräusch eines schnippenden Feuerzeugs wahrnahm. Vor dem Pub stand ein schlaksiger Mann, der sich gerade eine Kippe anzündete und der Duft der glimmenden Zigarette umhüllte sofort Kristens Kopf, sodass sie jetzt nichts dagegen hätte ebenfalls eine zu rauchen. Aber Rob’s Grund das Gespräch nach draußen zu verlegen war erst einmal wichtiger, weswegen sie ihre Jacke etwas enger um ihren Oberkörper zog und sich wieder an ihren Freund wandte. Obwohl die Pubtür verschlossen war, hörte man immer noch den Bass von drinnen. Konzentrierte man sich, dann sogar das Gemurmel der gesamten Geburtstagsgesellschaft, doch das sollte KStew jetzt nicht kümmern, weswegen sie auch gar nicht auf den aktuellen Liedtext achtete. Als der Brite stockend anfing, schaute sie ihn mit erhobenen Augenbrauen an. Jetzt benahm er sich wie sie, als sie Rob’s Eltern in den Pub hereinspazieren sah. „Alles okay?“ – fragte die Blonde beinahe etwas besorgt und war ziemlich gespannt, was der Ältere jetzt zu bereden hatte. Es dauerte einen Moment, ehe der Brite damit rausrückte, worum es ging. Immer noch um seine Familie, die plötzlich aufgetaucht war und nicht so auf Kristen reagiert hatte, wie diese es vermutet hatte. „Ja, das verstehe ich. Lizzy meinte so etwas Ähnliches schon zu mir. Doch… irgendwie habe ich einfach nicht mit solch einer milden Reaktion gerechnet, weißt du? Ich habe mir dieses erste Treffen nach alldem eher als dieses Zerreißen in tausend Stücke vorgestellt. Vermutlich bin ich nur enttäuscht, dass meine Vorstellung nicht eingetreten ist.“ – die 28-Jährige grinste schief und ließ die kleine Tatsache weg, dass sie solch eine Behandlung eher verdient hätte als die, wieder in den Kreisen der Pattinsons aufgenommen zu werden. Rob’s Lächeln erwärmte ihr Herz, denn scheinbar hatte er niemals mit solch einer Reaktion gerechnet. Für ihn schien es klar gewesen zu sein, dass seine Eltern die Schauspielerin erneut akzeptieren würden. „Aber was sie sagen stimmt. Ich bin glücklicher seit wir wieder zusammen sind. Also wenn das ihr Verhalten für dich eher erklärt, dann sag dir einfach, dass es dabei gar nicht so sehr um dich geht. Sie sind glücklich, dass ich glücklich bin. Du interessierst sie dabei noch weniger.“ – ergänzte Robert seine Aussage und wiederholte damit genau das, was Lizzy schon vor einigen Minuten im Pub meinte. Alle waren froh ihren Robert wieder glücklich zu sehen, auch wenn Kristen dafür der Grund war. Scheinbar schien sie was anders zu machen als die Frauen vorher, obwohl sie diese Vergangenheit mit sich brachte. Die 28-Jährige war sich jedenfalls sicher, würde sie sich noch einmal so einen Fehltritt leisten, dann würde die Familie Pattinson sie zerreißen. Dieses Mal mit Sicherheit, doch das würde nie wieder vorkommen. Nie wieder, da war sich KStew mehr als sicher. „Noch. Und das ist eigentlich genau die Sache, weshalb ich eigentlich mit dir reden wollte.“ – erneut schaute die Blonde mit erhobenen Augenbrauen auf, denn sie dachte, dass sie quasi schon über diese Sache sprachen. Was lag ihm noch auf der Seele? Wie immer, wenn Rob unsicher war, fuhr er sich durch das Haar und sprach die Situation von eben an. Sein Daumen zeigte hinter sich auf den Eingang zum Pub. Es ging darum, dass wieder einmal die Vergangenheit dadurch hervorgeholt wurde. Logisch, ihre gemeinsame Vergangenheit war ein Grund, warum sie wieder zusammen waren. Und ihre gemeinsame Vergangenheit war wie ein Schatten, der irgendwie immer über ihnen lag. Wie eine lästige Regenwolke. Anfangs gelang es Kristen besser als Rob die Vergangenheit hinter sich zu lassen, weswegen sie eher bereit war wieder mit ihm zusammen zu sein und so die ganze Geschichte ihren Lauf genommen hatte. Doch der heutige Abend hatte die Schauspielerin selbst noch einmal in die Vergangenheit katapultiert, obwohl sie dachte darüber stehen zu können. Mit voller Wucht traf sie die Wahrheit. Ihr Fehler trat so bewusst vor ihre Augen, dass sie ihn kaum noch ausblenden konnte, obwohl die Reaktionen aller ihr eigentlich zeigten, dass es Zeit war an die Zukunft zu denken. Sie hatten es geschafft. Sie waren trotz allem wieder ein Paar und alle freuten sich darüber. Scheinbar war dies auch genau das, auf was Robert in diesem Moment hinauswollte. Man konnte die Vergangenheit nicht vergessen, aber man konnte sich bemühen mehr nach vorne zu schauen als zurück. „Alle scheinen noch sehr mit der Vergangenheit beschäftigt zu sein. Sei es dein Fehler oder meine anderen Beziehungen oder was auch immer. Und ich verstehe das und ich weiß, dass man die Vergangenheit auch nicht einfach so abstreifen kann. Aber mich persönlich interessiert all das gar nicht mehr so sehr.“ – der Brite atmete tief ein und wieder aus, als würde ihn das Gespräch etwas anstrengen. Es war schon von ihm selbst zu hören, dass er sich gar nicht wirklich für die Vergangenheit interessierte. Das lockerte die Klammer, die sich in diesem Augenblick um ihr Herz gelegt hatte. „Was mich viel mehr interessiert als die Vergangenheit ist unsere Gegenwart und unsere Zukunft.“ – in diesem Moment grinste die Schauspielerin breit. So breit wie es ging. Das war genau das, was sie von Anfang an gesagt hatte. Was sie von Anfang an wollte. Nun, da sie wusste, dass Robert genauso denken und sich mit diesem Gedanken abfinden konnte, war sich Kristen in dem Gedanken von vorhin noch viel sicherer. Die Beiden mussten einen weiteren Schritt wagen, um ein neues Kapitel in ihrem gemeinsamen Leben aufschlagen zu können. Das würde dieses „in die Zukunft blicken“ noch viel mehr erleichtern, wenn man durch diesen Schritt die Vergangenheit noch weiter hinter sich lassen würde. „Das sehe ich ganz genauso.“ – erwiderte die Blonde, immer noch mit dem gleichen Grinsen auf den Lippen. Sie legte ihre Hände in den Nacken des Älteren. Verkreuzte ihre Finger. „Ich bin zwar immer noch geschockt, dass mich niemand zerreißen wollte, aber vielleicht können wir das jetzt wirklich hinter uns lassen. Ich will auch wissen, was die Zukunft für uns bereithält. Nur das zählt.“ – meinte sie und drückte dann ihre Lippen auf die des Briten, während sie in sich hinein schmunzelte, weil sie in diesem Augenblick zumindest eine Sache wusste, die die Zukunft für sie bereithielt. Eine Sache, von der Robert mit Sicherheit nichts ahnte. Niemals. Doch Kristen war sich sicher. So sicher wie niemals zu vor. Jetzt war sie an der Reihe den nächsten Schritt zu wagen und irgendwie hatte sie in diesem Moment das Gefühl, dass dieser Schritt wieder hier stattfinden würde. In London, vielleicht sogar in diesem Pub. Wo alles wieder seinen Lauf genommen hatte. Wo sie im Streit auseinander gegangen waren. Es wurde Zeit, dass über dieser Stadt nicht mehr nur die Wolken der Vergangenheit lagen. Es wurde Zeit für Sonnenschein.
- ENDE -