30.05.2021, 04:30
I want blood, guts and angel cake
I’m gonna puke it anyway
KRISTEN STEWART & BILLIE EILISH # BEI KRISTEN # LOS ANGELES # 20 NOVEMBER 2018 # ABEND
„Danke, dass du mich da rausgeholt hast.“ Ein ehrliches Lächeln umspielte Billies Lippen. „Noch ein paar Minuten länger mit Finneas in diesem Zimmer und ich wäre durchgedreht. Und ich meine richtig durchgedreht!“ Der Teenager musste etwas lauter sprechen, um das Gemurmel aus dem Radio und die monotonen Geräusche des Motors übertönen zu können. „Du kennst doch sicher diese Geschichten von irgendwelchen Königshäusern, in denen sich die Familienmitglieder gegenseitig umbringen, nur um in der Thronfolge eine Position gutzumachen oder sowas. So in der Geschichte oder Mythologie oder so.“ Billie sah zu Kristen, deren Blick unverändert auf die Straße gerichtet war. Es hatte jetzt auch wieder angefangen zu regnen und die Scheibenwischer gingen pflichtbewusst ihrer Arbeit nach. „Ich hab das früher nie verstanden. Ich meine ... Ich hab noch nie in Europa im Mittelalter gelebt oder wann auch immer sich diese Stories zugetragen haben sollen, aber ich hab Game of Thrones gesehen und ich hab mir immer gedacht 'Wer würde seinen eigenen Bruder umbringen, um auf diesem ungemütlichen Ding sitzen zu können?!' Mir tut ja schon der Hintern weh, wenn ich das Teil nur sehe! Und dann haben da Leute echt ihre eigenen Verwandten für sowas umgebracht!“ Die Musikerin verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse. „Aber jetzt verstehe ich es. Manchmal steht man einfach kurz vorm Blutrausch. Weil man ein Königreich regieren oder einfach nur seine Ruhe haben will. Dann ist es dir scheißegal, ob die Person am anderen Ende der Waffe dieselben Eltern hat wie du oder nicht. Heute hätte ich Finneas fast umgebracht und ich brauchte noch nicht mal einen Thron als Motiv.“ plapperte die Amerikanerin weiter. „Manchmal nerven dich deine Geschwister so sehr, dass du ihren Wein vergiften willst oder wie diese Leute in diesen Geschichten ihre Verwandten auch immer um die Ecke gebracht haben.“ seufzend zuckte sie mit den Achseln. „Wobei ich natürlich ohnehin längst nicht so kultiviert bin wie irgendein blaublütiger Prinz. Ich hätte meinem Bruder einfach Rattengift unter seine Froot Loops gemischt.“ Billie grinste schief. Sie schob sich eine ungebändigte Haarsträhne aus der Stirn. Natürlich hätte die Musikerin Finneas nie im Leben auch nur ein Härchen gekrümmt. Nicht für einen Thron und auch nicht für eine kurze Pause. Sie liebte diesen Idioten wie einen Bruder. Wahrscheinlich weil er ihr Bruder war. Doch wie es für Geschwister so typisch war, gerieten Billie und ihr großer Bruder auch mal aneinander. Sie gingen sich dann gehörig auf die Nerven und manchmal schier an die Gurgel. Finneas war einfach so verdammt ... fleißig und vehement oder wie auch immer man das nennen sollte. Es gab da diesen Spruch 'Hard work beats talent when talent doesn't work hard'. Wer hatte das nochmal gesagt? Ein Sportcoach? Egal. Auf jeden Fall hätte Finneas es sich auf ein T-Shirt drucken können. Es lang ja auch eine Wahrheit in diesem Zitat. Finneas erkannte das. Er pushte seine Schwester. Weiter und weiter und weiter. Das war sicherlich gut. Es machte Billie produktiv und rang ihr Kreativität ab. Es war letztlich wirklich gut für sie. Und sie brauchte das wohl irgendwo auch. Das sah Billie alles ein. Und trotzdem war sie manchmal einfach nur genervt und frustriert und hatte keinen Bock und wollte nur noch in Ruhe Musik hören – anstatt selber welche zu machen. Musik hören oder sich um ihre Haustiere kümmern, einen Reitausflug machen oder Zeit mit Freunden verbringen. Mit Freunden wie Kristen. Die Musikerin schielte zu der Schauspielerin. Die Scheinwerfer eines herannahenden Autos tauchten das Gesicht der Blondine in ein grelles Weiß. Einen Moment lang schien Kristens Gesicht leichenblass zu sein. Heute war so ein Tag gewesen. In ihrer Not hatte Billie sich an die Schauspielerin gewandt, welche den Teenager dann auch abgeholt hatte. Nun waren die Freundinnen auf den Weg zu Kristen.
„Wolltest du Cameron auch schon mal ermorden?“ fragte Billie in einem Smalltalk-mäßigen Tonfall und gurrte amüsiert. Es regnete jetzt regelrechte Bindfäden und der Regen prasselte munter auf das Dach von Kristens Wagen. Passend dazu präsentierte sich die Stadt der Engel von ihrer grauen und tristen Seite. Im Radio kündigte die Moderatorin mit der rauchigen Stimme die neue Single einer lokalen Rockband an. Der ersten Akkorde des Songs ertönten und Billies Blicke huschten wieder einmal zu Kristen. Es waren keine Bambi-Blicke. Nicht Reh-scheu. Doch sie waren durchaus vorsichtig und abschätzend. Wie wirkte KStew? Nicht gerade wie jemand, dessen Herz erst kürzlich in tausend Stücke zertrümmert worden war. Eigentlich wirkte die Blondine sogar ziemlich happy. Oder war das nur Einbildung? Billie schluckte. Sie kam sich deshalb schier paranoid vor und konnte ihre dummen Gefühle doch nicht abschütteln. Der Sänger der Band sang auf eine schnodderig-selbstsichere Art und Weise von dem Mädchen, welches ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. Billie war jung – aber nicht dumm. Sie wusste, dass die Zeit des gepflegten 'Na, hallo, wie geht es dir? Wolltest du auch schon mal Brudermord begehen?'-Smalltalks beendet war. Es wurde langsam Zeit das Thema anzusprechen, welches weitaus aufdringlicher war als das Lied im Radio. Der Magen des Mädchens zog sich zusammen. Billie wollte mit Kristen nicht über London reden. Sie wollte nicht hören wie toll es gewesen war und wie glücklich sie doch mit Rob war und all sowas. Irgendso ein schwärmerischer Scheiß und sie würde Kristen sicher in den Fußraum ihres Autos kotzen. Die Teenager schloss kurz die Augen. Der prasselnde Regen kam ihr dadurch lauter und näher vor. Billie sollte (und wollte ja auch) eine gute Freundin sein. Sie sollte sich für KStew freuen. Sie sollte bei Erzählungen über Kristens letzten Besuch in London an deren Lippen hängen. Gerade Billie, welche bei der Robsten Reunion ja durchaus auch eine kleine Rolle gespielt hatte. Doch ... Es war einfach schwierig zu sehen, wie glücklich Kristen war und begeistert zu sein – wenn Billie selber nicht dazu in der Lage war ihrem Liebeskummer zu entkommen. Ja, sie war bitter und vielleicht auch eine beschissene Freundin, die sich nicht richtig für ihre Freundin freuen konnte, aber ... Während Kristen einen Freund aus Fleisch und Blut hatte, musste sich Billie mit der Erinnerung an einen gewissen Dänen mit den blausten Augen der Welt begnügen! Er war einfach verdammt unfair! Und das alles nur wengen ein paar Jahren Altersunterschied ...
Es nützte ja alles nichts, die Freundinnen würden das leidige Thema früher oder später doch eh ansprechen. „Wie ... Ähm ... Wie war es eigentlich in London bei Lizzys Feier?“ fragte Billie beiläufig. So beiläufig, wie sie fragen konnte, sie war ja schließlich keine Schauspielerin. In ihren eigenen Ohren klang ihre Stimme viel zu mäuschenhaft. „War das Wetter dort genauso schmeiße wie es gerade hier ist?“ schob sie rasch hinterher und lachte etwas zittrig auf. Das Auto kam kurz darauf zum stehen. Die Scheibenwischer rührten sich nun nicht mehr. Der Popsong im Radio wurde unsanft abgewürgt. Die Sängerin mit der samtigen Stimme konnte nicht mal den Refrain beenden. Der Regen prasselte noch immer in seinem eigenen Rhythmus auf das Dach des Wagens. Billie löste ihren Sicherheitsgurt mit einem 'Klack'. Die öffnete die Autotür und kletterte aus dem Wagen. Die Freundinnen waren bei Kristen angekommen.