23.10.2021, 01:10
Just a tiny spark
I give it all my oxygen
To let the flames begin
To let the flames begin
JENNIFER LAWRENCE & DANIEL RADCLIFFE # EIN SERIENSET # LOS ANGELES, KALIFORNIEN, USA # 11. NOVEMBER 2018 # MORGEN
Augen zu und durch! Wobei Jennifer, die ja schon mit offenen Augen dazu neigte über ihre eigene Füße zu stolpern, ihre Augen jetzt wohl besser nicht hätte schließen sollen. Was die Schauspielerin dann auch nicht tat. Schließlich wollte die Blondine Peinlichkeiten und Knochenbrüche zumindest an ihrem allerersten "richtigen" Arbeitstag bei diesem neuen Projekt vermeiden. Das eingerollte Script in der Hand steuerte Jennifer auf den Raum zu, in dem der Table Read gleich stattfinden würde. Ihr Gang war nicht scheu und zaghaft, aber auch nicht wirklich beschwingt. Was durchaus zu dem Gemütszustand der jungen Frau passte. Der Amerikanerin war nicht wirklich mulmig zumute. Da war kein Lampenfieber mit feuchten Händen und Schweißperlen, die auf Jens Stirn glänzten. Jennifer fühlte sich aber auch nicht wie jemand, der gleich ganz selbstverständlich zuerst diesen Raum und dann das ganze Set im Sturm erobern würde. Und all das vielleicht auch noch so als wäre es eine Art Geburtsrecht, an dem die Blondine noch nie gezweifelt hatte. Nein. Das hier fühlte sich eher so an wie der erste Tag in der Schule nach den langen Sommerferien. Man wusste irgendwie auf was man sich einließ. Irgendwo war es durchaus vertraut. Und doch war es auch anders und neu. Irgendwas Verheißungsvolles lang in der Luft, wie es so typisch für einen Neubeginn war. Man konnte förmlich spüren wie jemand die Seite umschlug und wie das neue Kapitel begann. Da war ein Gefühl von Nervenkitzel und sogar das leise Flüstern des Abenteuers. Nicht direkt ein Ruf, aber doch deutlich zu vernehmen. Als Teenager hoffe man zu Beginn des neuen Schuljahrs vielleicht auf eine Einladung zum Schulball. Zur selben Zeit war so ein Neustart aber oft eben auch eine Reise ins Ungewisse. Der Sommer war heiß und lang gewesen. Waren die besten Freundinnen des alten Schuljahres das heute noch immer oder lästerten sie bereits gnadenlos über einen ab? Man konnte nicht wissen was das neue Schuljahr bringen würde, selbst wenn man in dieselben Gesichter (nach den Ferien vielleicht etwas braungebrannter oder verpickelter) sah, in die man auch vor einigen Wochen schon geblickt hatte. Jennifers Lage war vergleichbar. Sie war nicht erst seit gestern Schauspielerin. Sie wusste wie man sich am Set verhielt. Wie man mit Regisseuren und Kollegen umging. Diesbezüglich fühlte die Amerikanerin sich ziemlich (selbst)sicher. Und sie fieberte der Arbeit entgegen. Jennifer hatte das Script verschlungen und konnte es kaum abwarten in die Welt des alten Hollywoods einzutauchen. Trotz allem wusste sie jedoch auch nicht was sie genau erwartete. Oder wer sie erwartete. Eventuell war ja ein Kollege dabei, der sie zur Weißglut treiben würde oder vielleicht würde sie sich mit den Regieanweisungen schwer tun. Gedanken wie diese bereiteten der Amerikanerin keine schlaflosen Nächte. Jennifer war deshalb nicht paranoid oder ging vom Schlimmsten aus. Doch an einem Tag wie heute folgten der Schauspielerin solche Gedanken eben doch unauffällig wie Schatten.
Als die Blondine das Klacken von hohen Absätzen hörte drehte Jennifer sich reflexartig um. Kurz darauf stolzierte eine gertenschlanke Frau an der Amerikanerin vorbei. Mit den pechschwarzen Haaren und den blutrot geschminkten Lippen erinnerte sie an eine erwachsene Version von Schneewittchen. Jen runzelte die Stirn und kramte in ihrem Gedächtnis nach einem Namen. War die Frau, die von einer Wolke aus blumig duftendem Parfüm umgeben war, eine Kollegin? Die Blondine musterte die Dunkelhaarige, die ein eng anliegendes Designerkleid trug, welches farblich perfekt zu ihren High Heels passte. Nanu? Hatte JLaw was verpasst? Seit wann war ein Table Read eine Modenschau? Jennifer selber trug ein Sweatshirt, eine verwaschene Jeans und ihre Füße steckten in Chucks, die nicht ausgelatscht, aber auch nicht nagelneu waren. Sie sah also vielleicht nicht aus wie die zottelige Cousine von Oscar, dem grünen Mülltonnenbewohner aus der Sesamstraße, doch Haute Couture war definitiv auch was Anderes. Egal! Jennifer war zufrieden mit sich und ihrem Outfit. Schneewittchen drückte ihre Rücken durch und ging nun geradewegs an dem Raum vorbei, den die Schauspielerin anvisierte. Während die elegant gekleidete Frau schließlich aus Jens Blickfeld verschwand, erreichte die Blondine ihr Ziel.
Im Raum angekommen blieb Jennifer zunächst im Türrahmen stehen und sah sich um. Es waren noch längst nicht alle Kollegen in dem Zimmer versammelt, doch einige hatten ihren Weg hierher durchaus schon gefunden. Jens Blicke wanderten zu zwei Frauen, welche die Köpfe zusammengesteckt hatten und tuschelten. Ihre Scripts lagen noch achtlos neben ihnen. Eine der Frauen hob nun den Kopf. Ihr Blick traf den von Jennifer und die beiden Blondinen nickten einander kurz zu. Dann wandte die Kollegin sich wieder ihrer Freundin zu und Jennifer schickte ihre Blicke weiter auf Wanderschaft. Manche Gesichter kamen der Amerikanerin bekannt vor. Einige Kollegen kannte sie ganz gewiss. Andere hingegen waren ihr völlig fremd. Ein Mann saß etwas abseits und war allem Anschein nach ganz in sein Script vertieft. Er hatte die Aura und das Aussehen eines Filmstars mit seinen hohen Wangenknochen, den dunklen Augen und der cool-distanzierten Art. Doch in einem Film gesehen hatte die Blondine ihn noch nie. Ihre Blicke huschten dann auch ohnehin weiter. Sie suchte jetzt ganz gezielt nach Alex Esmail. Ein Schauspieler, den die Amerikanerin noch gar nicht persönlich kannte, mit dessen Arbeit sie sich jedoch bereits vertraut gemacht hatte. Zumindest teilweise. Jen hatte sich Attack the Block angesehen und war schon sehr gespannt auf Alex. Der junge Engländer war nämlich Jennifers Leading Man bei diesem Projekt. Oder das würde er zumindest sein, falls er denn mal auftauchen würde. Die Blicke der Amerikanerin sprangen weiter im Raum umher, doch den Briten fanden sie nicht. Naja, er hatte ja auch noch etwas Zeit bis er hier sein musste. Plötzlich drang die glockenhelle Stimme einer Produktionsassistentin an das Ohr der Schauspielerin und riss diese aus ihren Gedanken. Die andere Frau stellte sich kurz vor und äußerte ihre Vermutung, dass Jen, die sich wohl sehr offensichtlich suchend umgesehen hatte, doch eventuell nach Alex suchte, nicht wahr? Genau genommen war es eine halbe Vermutung und eine halbe Frage. Schließlich sprach die Frau etwas drucksend weiter. „Er wird heute nicht hier sein. Tatsächlich wird er bei diesem ganzen Projekt nicht dabei sein. Es … Ähm … Gab kurzfristig eine Änderung bei der Besetzung.“ Was?! Die Brünette bat Jen darum ihr zu folgen. Was diese auch tat, immer dem wippenden Pferdeschwanz hinterher. Während die Frauen den Raum durchquerten erklärte die sichtlich nervöse Produktionsassistentin der Amerikanerin weshalb es zu der Änderung gekommen war. Sie erläuterte außerdem etwa tausend Mal weshalb Jennifer die Neuigkeiten jetzt und auf diese Weise – und nicht etwa schon viel früher und auch vom Regisseur, einem Produzenten oder einem Agenten erfahren hatte. Die Frau mit dem Pferdeschwanz berichtete von einem Regisseur, der die Neuigkeiten eigentlich definitiv persönlich hatte überbringen wollen, sie sprach von Chaos, von einem gewaltigen Hin- und Her und wirklich sehr kurzfristigen Entscheidungen. Jen nickte höflich, bekam von all den Erklärungen und auch von all den Entschuldigungen der Frau jedoch letztlich nicht besonders viel mit. Ein neuer Schauspieler sollte Edward Gladstone spielen?! Diese Information kam ihr richtig sperrig vor und wollte gar nicht in ihren Kopf hineingehen. Die Amerikanerin hatte sich ganz und gar auf Alex eingestellt gehabt und … Die Produktionsassistentin blieb recht abrupt stehen. Sie räusperte sich und deutete auf einen jungen Mann, der Jennifer durchaus nicht fremd war. „Darf ich vorstellen …“ Die Brünette lächelte, was scheu und auch ein wenig erzwungen wirkte. „ …Unser neuer Mister Edward Gladstone.“ Jennifer sah ihr Gegenüber da schon überrumpelt und mit weit aufgerissenen Augen an. Ihre Lippen formten ungläubig ein einziges Wort „Daniel?“