07.06.2021, 07:00
It takes two
Two sides to every story
EVANGELINE LILLY & TOM HIDDLESTON # EVANGELINES HOTEL # LONDON, ENGLAND # 08. NOVEMBER 2018 # SPÄTER ABEND
Tessa Thompson lachte laut und schallend. Sie hatte sich bei Evangeline eingehakt und bekam sich nun allem Anschein nach gar nicht mehr ein. „Wirklich?“ fragte sie nach und schüttelte den Kopf. „Nee! Das kann nicht sein! Das hat er gesagt?! Niemals!“ Das Lachen verwandelte sich und wurde zu einem Prusten, welches dann in ein Tuscheln überging. Die Kolleginnen steckten verschwörerisch die Köpfe zusammen. Unter dem organgenen Licht der Straßenlaternen wurden aus den Frauen wieder alberne Schulmädchen, die ungeniert kicherten und flüsterten. Tom schob seine Hände in die Taschen seines Mantels und trottete fügsam und neben den Schaupielerinnen her. Er konnte noch den Whiskey auf seinen Lippen schmecken, welchen er auf Rebeccas Party getrunken hatte. Rebecca Halls extremst verspätete Geburtstagsparty in einem Londoner Restaurant, die als skurriler Witz angefangen hatte und dann für ihre Bekannten und Freunde zu einem regelrechten sozialen Event geworden war. Evangeline war extra für diese Feier nach London gekommen und sie war nicht die Einzige. Es war fast schon so als wären sie alle Romanfiguren in einem Werk wie The Age of Innocence, in dem sich gefühlt alles um gesellschaftliche Ereignisse drehte. Feste und Bälle. Tessa kreischte und ließ dem albernen Geschrei ein weiteres Lachen folgen. Tom unterdrückte einen Seufzer. Wäre er doch bloß auf der Party geblieben! Sein inneres Teenager-Mädchen hielt sich nämlich (Überraschung!) noch immer bedeckt und der Engländer kam sich daher in der Gesellschaft der Frauen überaus deplatziert vor. Der Schauspieler atmete die kühle Abendluft tief ein. Regen und Benzin lagen in ihr. Tom schlug den Kragen seines Mantels hoch und sah blinzelnd zum Himmel. Bald schon würden die Straßen der englischen Hauptstadt vor lauter Regen schimmern. Vielleicht sogar noch bevor das Trio sein Ziel erreichen würde. Noch ein unterdrückter Seufzer. Warum hatte Tom die Feier nochmal verlassen? Diese solide Festung aus Wärme, guten Gesprächen und einer durchaus vorzeigbaren Getränkekarte? Der Brite sah zu Tessa, die ihrerseits Evangeline ansah und von einem Ohr zum anderen grinste. Der Abend war bereits vorangeschritten und es war recht dunkel. Dennoch konnte Tom den Schalk in Tessas Augen funkeln sehen. Ach ja. Tessa. Die Kollegin hatte vorgeschlagen, dass sie Evangeline doch zusammen zu ihrem Hotel begleiten konnten. Der Schauspieler verstand noch immer nicht recht weshalb das nötig war. Soweit der Brite wusste war Evangeline – auch wenn das manchmal aufgrund ihres Verhaltens sicher angezweifelt werden konnte – eine erwachsene Frau, die demnach auch mental dazu in der Lage sein sollte allein zu ihrem Hotel zu kommen. Die Taxifahrer in dieser Stadt kannten sich zum Beispiel sehr gut aus und waren überaus bewandert. Sie konnten bei solchen Problemen Abhilfe schaffen. Doch Tessa hatte Etwas von Beinen erzählt, die man nach all dem fettigen Essen doch vertreten musste. Außerdem hatte die Schauspielerin Tom sehr nett gefragt und daher hatte dieser nicht ablehnen können. Es wäre einfach zu unhöflich gewesen.
„Tom? Sag mal, wo ist eigentlich der Buckingham Palace?“ Tessa musste die Frage praktisch rufen, da ein roter Doppeldeckerbus an der kleinen Gruppe vorbeifuhr. „Nicht direkt hier im der Nähe.“ entgegnete der Engländer. „Der ist sicher einige Stationen mit der Tube von hier entfernt.“ fuhr er mit gerunzelter Stirn fort und sah Tessa unschlüssig an. Wie kam sie denn jetzt darauf? Dabei waren Themen wie diese genau die Themen, die einem in den Sinn kamen, wenn man in einer Stimmung wie Tessas war. Willkürliche Ideen, die dann im Verstand wie Pilze wuchsen. Die Amerikanerin verdrehte die Augen und lachte. „Nicht direkt hier im der Nähe.“ äffte sie Tom nach und zog Evangeline nun noch näher an sich. „Tom kann echt froh sein, dass er sein Geld nicht als Touristenführer verdienen muss. Da würd er nämlich keinen Penny verdienen! Wobei die armen Touristen darüber natürlich noch viel glücklicher sein müssen!“ verkündete sie. „Was willst du da überhaupt? Die Kronjuwelen stehlen? Nach denen wirst du dort lange suchen müssen.“ meinte Tom und schmunzelte nun. Die Kronjuwelen wurden im Tower von London aufbewahrt, doch das wusste die Amerikanerin ja eventuell gar nicht. „Vielleicht will ich eine mitternächtliche Tour miterleben und das Fernsehzimmer der Corgis sehen.“ Tessa sah den Engländer herausfordernd an und dieser nicke. „Okay, aber für Touren musst du, glaube ich, im Sommer wiederkommen.“ Tessa schnitt eine Grimasse. „Wer sagt, dass es eine offizielle Tour sein muss? Ich kann mich auch allein umsehen. Sozusagen auf Erkundungstour gehen. Die Wachen müssten mich nur reinlassen. Und meinst du nicht, dass ich sie dahingehend bezirzen könnte?“ Sie wackelte mit den Augenbrauen und brachte Tom zum lachen. „Daran habe ich keinen Zweifel. Das könntest du.“ Er schenkte der Amerikanerin ein Lächeln. Dann fiel Toms Blick auf Evangeline. „Das könntet ihr beide.“ korrigierte er seine Aussage und lächelte noch immer. Es wäre schrecklich unhöflich gewesen Evangeline vollkommen aus dem Gespräch herauszuhalten. Außerdem stimmte es.
Ja, Tom mochte die Kollegin nicht sonderlich. Er fand Evangeline oft affektiert mit ihrem 'Uh, ich bin rein zufällig Schauspielerin geworden'. Der Engländer störte sich außerdem an ihrer übertriebenen Pseudo-Hippie-Art oder wie man es auch bezeichnen sollte. Zudem unterstrich die Frau ihre eigene Unabhängigkeit quasi ständig dreimal fett und war so sehr an der Rettung der Menschheit interessiert, dass es Evangeline garantiert insgeheim gehörig wurmte, dass man ihr noch keinen Friedensnobelpreis verliehen hatte. Oder warum nicht gleich alle Nobelpreise, die es gab? Schrieb die Frau nicht auch Kinderbücher? Da! Einen Literaturnobelpreis zum mitnehmen, bitte! Hatte die ach so perfekte Evangeline ihn nicht verdient? Er war doch wohl überfällig! Tom fand eigentlich alles, für das Evangeline stand, nobel und gut. Nur bei ihr war das alles so sehr im Übermaß vorhanden, dass es auf den Engländer fast schon falsch wirkte. Aufgesetzt. Nervig. Aufdringlich. Sie wollte, so wirkte es auf Tom, so sehr mehr als dieses typische Hollywood-Blondchen sein, dass sie am Ende künstlicher war als all diese verachteten Klischees zusammen. Die brünette Weltretter-Barbie, die ganze Länder im Alleingang rettete, wenn sie nicht gerade Kindern mit ihren Büchern unendliche Inspiration schenkte oder jene Schauspielkarriere vorantrieb, die ihr praktisch in den Schoß gefallen war. Tom mochte diese Frau definitiv nicht. Er war sich dabei durchaus im Klaren darüber, dass er mit der Kanadierin durch diese bereits vorhandene Antipathie weitaus härter ins Gericht ging, als er es mit anderen Menschen in einer vergleichbaren Situation getan hätte. Was nicht richtig war. Und doch... Er mochte die Kanadierin also nicht. Das bedeutete allerdings nicht, dass der Brite auch für Evangelines Schönheit blind war.
Die Brünette war eine äußerst attraktive Frau und das sah er durchaus. Ihre athletische Figur und die braune Mähne. Die grünen Augen, die so ausdrucksstark waren. Tom hatte ja keine Tomaten auf den Augen! Dazu die selbstbewusste Ausstrahlung. Natürlich bemerkte er sowas. Wer hätte das nicht getan? Und der Londoner bemerkte auch, dass sie eine wirklich gute Schauspielerin war. Wenn er die Brünette zusammen mit anderen Kollegen sah, dann schien sie sogar ein vernünftiger Mensch zu sein. Doch all das änderte Toms Meinung über Evangeline nicht. Sie war eine sehr schöne Frau und eine geschätzte Kollegin – dennoch war sie auch eine affektierte Person. Das Eine schloss das Andere halt nicht aus.
„Gibt es denn wirklich nur Touren im Sommer? Das kann ich mir gar nicht vorstellen, da würde sich das Königshaus doch viel Geld durch die Lappen gehen lassen.“ meinte Tessa, die nun wieder etwas ernster wirkte und die Nase kräuselte. Sie wich einer Gruppe schnatternder Teenager aus, die Bier aus Dosen schlürften. „Ich google das jetzt mal.“ Die Amerikanerin öffnete ihre kleine Tasche und fing an darin herumzuwühlen. Ihre Bewegungen wurden dabei immer hektischer. „Fuck, fuck, fuck!“ stieß Tessa bald hervor. „Scheiße!“ Alle Augen waren nun auf die amerikanische Schauspielerin gerichtet. „Ich muss mein Handy im Restaurant liegen gelassen haben!“ Kurz nach dieser dramatischen Feststellung verabschiedete sich Tessa von ihren Kollegen, sie musste natürlich sofort zur Party zurück und ihr Mobiltelefon finden. „Es tut mir so leid, dass ich jetzt so eine Hektik verbreite!“ Nachdem die Schauspielerin zunächst Evangeline fest an schich gedrückt hatte, umarmte sie nun Tom. „Du brings Evie jetzt doch noch ins Hotel, oder?“ Tessas dunkle Augen ruhten auf dem Briten. „Allein dass du das fragst ist beleidigend.“ entgegnete dieser. Tom hatte nicht viel Lust dazu auch nur drei weitere Schritte mit der brünetten Kollegin zu gehen, doch er war ein Genleman und hätte Evangeline niemals allein in der Nacht auf der Straße stehen lassen! „Ist er nicht großartig?“ meinte Tessa an Evangeline gewandt und jauchzte wie ein verliebter Teenager. Für einen Moment war das überdrehte Mädchen von gerade eben da. Kurz darauf verschwand die Amerikanerin in einem Taxi. Und Evangeline und Tom waren allein. Oder so allein wie man in einer Großstadt eben allein sein konnte.
Tom ging zunächst schweigend neben der Brünetten her. Er wusste nicht was er sagen sollte. Er mochte die Kanadierin nicht und er war sich ziemlich sicher, dass sie auch kein Fan von ihm war. Keine gute Basis für nettes Geplauder. Allerdings war dieses Schweigen auch äußerst unangenehm. Nur die Verkehrsgeräusche und das rhythmische Klacken von Evangelines Absätzen auf dem Pflaster der Straße füllte diese Lücke des Schweigens in dem Moment. Eine Lücke, die gefühlt unaufhörlich wuchs. „Ähm ... Hattest du heute einen schönen Abend?“ brach der Brite die komische Stille zwischen ihnen also bereits nach nur einigen Augenblicken. Tom warf einen Seitenblick auf Evangeline. Nicht zum ersten Mal fiel ihm ihre Schönheit auf. Nicht zum ersten Mal überhaupt und auch nicht zum ersten Mal an diesem Abend. Es wunderte ihn gar nicht, dass sie einst als Model gearbeitet hatte. Sie war schön und das nicht nur auf eine allzu gewöhnliche Art. Nicht schön wie das Mädchen von Nebenan schön war. Evangeline war irgendwie außergewöhnlich. Sie war zum Beispiel eine Frau, die jedes Outfit zu ihrem Outfit machen konnte. Sei es ein Kleid, welches sie bei einer Filmpremiere trug oder ihr Wasp-Kostüm. Sie ... Aber das war ja jetzt auch völlig egal! Jedenfalls, die Frage nach dem Abend hörte sich in Toms Ohren irgendwie hohl an. Leer. Das verlangte nach einem zweiten Versuch. „Wenn du magst, dann fahr ich mit dir zum Buckingham Palace, dann kannst du Tessas Plan bezüglich der Erkundungstour in die Tat umsetzen. Ich bin mir sicher, dass es für sie in Ordnung wäre, wenn du das auch im Alleingang durchziehen würdest.“ scherzte Tom mit einem jungenhaften Grinsen auf den Lippen und sah Evangeline direkt in die Augen. „Ich würde auch vor der Tür Schmiere stehen.“ Mit der Brünetten zu scherzen fühlte sich eigenartig und nicht ganz richtig an. Zu freundschaftlich. Diese Frau war schließlich nicht etwa Chris Hemsworth, mit dem Tom ständig herumalberte. Doch der Schauspieler hatte heute Abend wirklich keine Lust auf Streit oder spitze Bemerkungen und durch einen kleinen Witz würde ihm sicher auch kein Zacken aus der Krone brechen.