02.06.2020, 12:20
Mit einem Seufzen und einem „jetzt sei nicht so“-Blick ihrer Freundin gewidmet legte Ariana den Kopf schief. Die Erdbeere, die sie sich gerade eben noch aus der Schüssel genommen hatte, nun völlig vergessen. Sie wusste ja selbst, dass das nun echt nicht der beste erste Geburtstag in einer Beziehung war, und es gefielt ihr auch so gar nicht. Aber was sollten sie denn machen? Diesen für ihn echt wichtigen Termin einfach sausen lassen, nur um gemeinsam Spaß zu haben? Sicher nicht! Ari wäre die letzte Person, die sich Wincent und seiner Karriere in den Weg stellen würde. Sie konnte sich selbst noch allzu gut an ihre Anfänge im Musikbusiness erinnern und wie verdammt hart und steinig der Weg – ganz besonders am Beginn einer Karriere – sein konnte. Da wollte sie ihn wenn dann einfach nur unterstützen dabei und ihm nicht noch mehr Steine auf dem Weg zum Erfolg legen. Also würde sie eben in den sauren Apfel beißen und ohne ihn ihren Geburtstag feiern. Dann würden sie sich eben einen oder zwei Tage später sehen, wenn er sie besuchen kommen konnte. So what? Sie war ja keine 5 Jahre mehr, wo es wirklich direkt an ihrem Geburtstag sein musste, damit sie nicht eingeschnappt war. Obwohl es natürlich echt schöner gewesen wäre, wenn er dabei sein könnte. Aber wenn Ari eines schon gelernt hatte: das Leben war kein Wunschkonzert. Leider…
„Ja. Ja in etwa genau so wird es ablaufen. Außer, dass er mich nicht einfach nur mal eben schnell zu einer unmöglichen Zeit anrufen wird.“, meinte Ari mit leicht tadelndem Unterton. Nein, wie sie Wincent mittlerweile kennen gelernt hatte würde er sich genau ausrechnen, wann der für sie beste Zeitpunkt sein würde hier in Los Angeles, würde dann anrufen und sie würden sich vermutlich eine halbe Ewigkeit unterhalten. Was die Sehnsucht nicht gerade schmälern wird, aber dennoch besser als überhaupt nichts. Gott, sie hatte echt gehofft, dass es etwas einfacher werden würde mit der Fernbeziehung. Aber da hatte wohl das naive Mädchen, das gerade erst die rosarote Brille aufgesetzt hatte, Überhand genommen. Die ersten paar Tage, nachdem sie sich wieder ‚trennen‘ mussten, waren für die Brünette immer die Schlimmsten. Dann kam eine Phase, in der es erträglich war. Leider hielt die aber nie sonderlich lange an. Und dann stieg die Sehnsucht nach ihm erneut mit jedem Tag mehr an. Bis sie ihn endlich wieder sehen konnte. Ein grauenhafter Teufelskreis, wie sie mittlerweile eingestehen musste. Aber eben leider auch nicht zu ändern. Nicht, solange einer von ihnen seine Karriere und seine Heimat aufgeben würde. Und das würde so schnell ganz sicher nicht passieren.
Mit einem Raunen steckte sich Ari nun die fast vergessene Erdbeere in den Mund. Und verschluckte sich bei Billies Geständnis, Wincent gegoogelt zu haben, fast daran. Ari hustete ein paar Mal, ehe sie sich wieder gefangen hatte und die Jüngere nun mit großen Augen, aber einem Grinsen auf den Lippen, ansah. „Billie!“, entfuhr es ihr, nun ebenso kichernd wie ihre Freundin. „Wenn du Bilder haben wolltest hättest du mich ja einfach nur fragen brauchen. Ich habe viel bessere als die, die du bei Google findest.“, fügte Ari noch mit einem Augenzwinkern hinzu. Und das hatte sie wirklich. Nämlich die echten, die natürlichen, die einfach so nebenbei in ihrer gemeinsamen Zeit entstanden waren. Nicht die Fotoshootings oder Konzertbilder, die man über sie beide im Internet fand. Sondern die, auf denen sie beide einfach nur sie selbst – und zugegeben verdammt verliebt – waren. Ja, die Bilder waren eine der wenigen Sachen, neben ihren Freunden und der Musik, die sie die Zeit bis zum nächsten Wiedersehen überbrücken ließen.
Billies Worte, nachdem diese die herrschende Stille im Raum wieder durchbrochen hatte, machten es hingegen nicht gerade besser. Nun war es Ariana, die das Gesicht fast schon schmerzerfüllt verzog. Das wusste sie doch selbst, dass Wincent eigentlich hätte dabei sein sollen. Aber egal wie sehr sie sich das wünschte, es würde nicht passieren. „Du weißt echt, wie man noch so richtig schön in einer Wunde herum bohrt, was?“, meinte Ari schmollend und blickte Billie mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Das weiß ich ja alles selbst, aber wir können es trotzdem nicht ändern. Er muss diesen Termin wahrnehmen. Noch ist er echt nicht auf meinem Level an Bekanntheit, wo die Leute vom Label sich dafür krumm machen, dass sie die Termine bloß so legen, dass sie ihn seinen Terminkalender passen.“, verteidigte sie ihren Freund erneut. Nicht, dass sie das unbedingt musste, immerhin war sich Ari ziemlich sicher, dass Billie trotz ihrer Entrüstung wusste, dass er in Wahrheit einfach toll war. Dennoch hatte sie einen unbändigen Zwang dazu, ihn in Schutz zu nehmen. Und es war ja auch nur die Wahrheit. Sie konnte sich ihre Termine mittlerweile so legen wie es für sie passte. Aber am Anfang ihrer Karriere musste sie auch einfach die nehmen, die ihr vorgegeben wurden. Und an dem Punkt war Wincent eben noch in seiner Karriere.
Bei Billies erneutem Versuch, Ari ihren Bruder ‚schmackhaft‘ zu machen, musste Ari erneut grinsen. Sie schüttelte leicht den Kopf. „Keine Chance, Liebes. Dieses Herz ist verschenkt. Ohne Retourenlabel.“ Das hoffte sie zumindest, dass es ohne verschenkt wurde. Aber es war das erste Mal, dass sie es mit einer Fernbeziehung versuchte, und es war sehr viel härter zu ertragen, als sie sich das gedacht hatte. Also was wusste sie schon, ob es wirklich endgültig verschenkt worden war oder doch irgendwann gebrochen und zerschmettert wieder zurück kommen würde. Diesmal brachte Ari nicht mal die Energie auf, Wincent – erneut – vor ihrer Freundin zu verteidigen. Sie hatte gesagt, was gesagt werden musste und warum Wincent nicht kommen konnte. Mehr als das konnte sie ihrer entrüsteten Freundin auch nicht geben. Stattdessen nahm Ari erneut eine Erdbeere und steckte sich die Frucht merkbar schmollend in den Mund.
Und dann wurde die Luft im Raum mit einem Schlag anders. Billies Augen, die sich weiteten, als wäre sie eine Zeichentrickfigur. Dass sie plötzlich kerzengerade dasaß. Das alles konnte nichts Gutes bedeuten, oder? Bei Billies Frage zogen sich allerdings erst mal nur fragend Aris Augenbrauen in die Höhe. Bitte was? Wieso verstand Ari nur Bahnhof? Warum sollte sie das machen? „Ähm, nein… ich bin zwar manchmal echt ein klein wenig selbstverliebt. Aber so narzisstisch veranlagt, dass ich mir selbst Geburtstagsgeschenke mache bin ich dann doch noch nicht, danke…“, antwortete sie noch immer mehr als verwirrt. Warum in Gottes Namen sollte sie sich auch bitte… Und plötzlich machte es Klick bei der Sängerin. Ihr Mund formte kurz ein O, während sich nun ihre Augen merkbar weiteten. Ehe sie aber auch schon enttäuscht den Kopf schüttelte. „Nein, Billie. Was soll ich da denn machen? Er hat ein wichtiges Meeting mit seinem Label. Soll ich da einfach rein spazieren, mit dem Finger schnippen und verlangen, dass sie das Meeting jetzt sofort beenden, weil „ich bin Ariana Grande, ich habe hier das Sagen“?“, fragte sie ihre Freundin skeptisch. Nein, das würde sie ihm niemals antun. So gerne sie ihn auch an ihrem Geburtstag sehen wollte – und das wollte sie wirklich – mit so etwas würde sie ihn niemals bloßstellen.