06.12.2020, 04:12
Bevor sie bei der "Sitzung" war, war ihr eigentlicher Plan sofort danach wieder nach Hause zu fahren zu ihrem Kind und leider auch zu ihrer Mutter. Also war es da weiter verwunderlich, dass sie die Zeit in Ruhe noch etwas genießen wollte. Zur gleichen Zeit aber fühlte sie sich schuldig. Sollte sie als Mutter, denn sich nichts Sehnlicheres wünschen als bei ihrem Kind zu sein? Jede Minute, jede Sekunde. Sicher bestand dieser Drang auch bei ihr, aber für einen Kaffee und etwas Gesellschaft schob sie es nach hinten. Denn selbst wenn sie jetzt nach Hause fahren würde, wäre da ja noch ihre Mutter. Und mit einem danke, bis bald würde sich diese nicht abspeisen lassen. Michelles Mutter würde wieder einen ihrer beliebten Vorträge halten, dass ein Kind auch seinen Vater brauchte. Aber damit war bei ihrer Mutter nicht Schluss, nein sie legte noch eins obendrauf und bot gleich potenzielle Kandidaten an, die passen könnten. Dabei war ihrer Mutter egal, was sie machten, wo sie herkamen, denn es waren alles unverheiratete Söhne ihrer Buchgruppe. Ja so etwas gab es wirklich und war keine Erfindung des TVs. Doch gleichzeitig tat sich die Frage auf, warum diese potenziellen Männer noch Single sind. Nun nicht bei ihrer Mutter, da tat sich lediglich die Frage auf, warum Michelle so wählerisch war. War sie nicht. Zumindest nicht sehr. Er sollte nicht uralt sein oder sie, ein Buch gelesen haben, dass nicht der Playboy oder Playgirl war und wissen, worauf es im Leben ankam. Doch das allerwichtigste war und würde es auch immer sein, ihre Tochter. So einfach sich das anhörte so schwer war es aber auch. Nicht jeder akzeptierte das so einfach, oder stellte es sich zu einfach vor nur um dann zu scheitern. Aya war ein Kind, das viel Aufmerksamkeit brauchte und ein Partner musste sich dessen bewusst sein. Was sie nicht brauchte, war noch ein zweites Kind an der Backe, dass mehr bockte als das erste. Nein danke, darauf konnte sie sehr gut verzichten. Doch sie würde lügen, wenn sie sich nicht manchmal jemanden an ihrer Seite wünschte, aber nicht so, nicht weil sie musste, sondern weil sie wollte. Doch ihr nicht vorhandenes Liebesleben konnte sie in Ruhe auf morgen verschieben.
Im Café selber war nicht mehr viel los, was aber für diese Uhrzeit auch nicht überraschend war. Dazu lag es nicht zentral, sondern am Rand von L.A.. Doch dafür war sie jetzt dankbar. Sie wollte nicht jeden ihrer Schritte immer mit Bildern belegt haben und die Texanerin wollte gar nicht wissen, was passieren würde, wenn Bilder von Ian und ihr auftauchen würden. Es war schwer einfach nur befreundet zu sein, wobei es bei ihr doch etwas einfacher war. Die Schauspielerin war bisexuell, es konnte also durchaus sein, dass nicht jeder Mann gleichzeitig ein Date war. Komisch, aber so tickte die Welt nun einmal. Ihr war durchaus bewusst, dass sie das in Kauf nehmen musste, wenn sie weiter ihren Beruf ausüben wollte. Doch mit ihrer Tochter fiel ihr das immer schwerer. Sie konnte schon gar nicht mehr die Angebote zählen, die sie für die ersten Bilder ihrer kleinen Tochter bekommen hatte. Doch sie hatte am Ende entschieden, wann und wo sie Aya zeigte. Schon waren alle Stimmen verstummt, bis die nächste Frage aufkam. Wer war der Vater? Auch hierfür hatte sie ein paar Angebote. Noch hatte sie nicht abgelehnt und wusste nicht, ob sie es tun sollte. Es brachte Geld in die Kasse und stopfte die Mäuler da draußen, die es unbedingt wissen wollten. Doch dieses Interview würde gleichzeitig noch mehr Fragen aufwerfen. Sie war hin- und hergerissen, und hatte keine so rechte Ahnung wenn sie um Rat fragen sollte. Fragte sie nach Rat, musste sich gleichzeitig so vieles erklären. Mit einem Seufzen ließ sie sich auf einem Stuhl nieder und nickte ihm zu. "Vielleicht sollte ich das auch machen, raus aus L.A.. Immerhin kann man in unserem Beruf von überall aus arbeiten. Aya könnte mit richtigem Grün aufwachsen, Tiere haben, ihre Ruhe." Mit letzteren meinte sie eher sich, als ihre Tochter. Aber vielleicht würde das allen guttun, nicht nur ihr und ihrer Tochter auch der Abstand zu ihrer Mutter, war ein Vorteil.
Auf dem halbwegs bequemen Stuhl schlug sie ihre Beine übereinander und verschlang ihre Hände auf dem Tisch. "Meine Mutter..." sie musste leise und bitter lachen "... ist das Kindermädchen aber nur, wenn ich gar niemanden habe. Sonst lasse ich sie nicht gern in die Nähe meiner Tochter. Und das ist kein Fettnäpfchen, sondern ein Neonschild über meinem Kopf. Sagen wir es mal so, meine Mutter und ich, sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind. In allem. Mein Kind, mein Beruf, mein Liebesleben, meine..." sie machte mit ihren Fingern Gänsefüßchen in die Luft "... Neigung. Alles war ich mache ist falsch. Es gab einen Grund warum sie mich als ich klein war zu meiner Großmutter abgeschoben hat. Ich und meine Mutter sind wie Dickköpfe, die immer aufeinander prallen." Liebte sie ihre Mutter? Ja sicher, aber nicht immer und schon gar nicht in jeder Lebenssituation. "Das Beste ist, wenn wir nur telefonieren, dann kann jeder auflegen und hat seine Ruhe. Nur für Aya reiße ich mich zusammen, sie soll ihre Großmutter haben aber nur in gewissen Dosen. Wenigen." Ein kleiner aber verbittertes Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Sagen wir mal so. Familie endet bei mir nicht mit Blut. Ich bezeichne andere Menschen in meinem Leben, Familie." Auch wenn sich viele immer dachte, es war nur ein Wort, das sie aussprach. Ihr Fast and Furious Familie, war mehr Familie als die blutsverwandte.
Als Nina angesprochen wurde, war sie überrascht aber schüttelte gleichzeitig den Kopf. "Hier und da auf irgendwelchen Teppichen, aber richtigen Kontakt? Nein schon lang nicht mehr. Nach der Sache zwischen euch wollte ich keine Seite beziehen. Du kennst Hollywood, in dem einem Moment kannte man sich und im nächsten nicht mehr. Ich bin auch niemand die wirklich eine Glanzleitung hinlegt, wenn es um das Thema Kontakt aufrechterhalten geht. Ich bin sehr schlampig." Sie zuckte mit den Schultern und griff gleichzeitig nach der kleinen, übersichtlichen Karte. "Warum? Seit wann interessierst du dich für Nina?" Michelle meinte das in keinster Weise böse oder gar unhöflich aber dennoch sprach sie wie ihr gerade der Mund gewachsen war. Filter, so etwas kannte sie nicht.