15.08.2021, 10:45
Rote Farbe kroch die Wangen des Schauspielers hinauf. Chris starrte auf seinen Teller. Er konnte Bryce gerade nicht einmal in die Augen sehen. Die Nudeln sahen plötzlich gar nicht mehr wie Nudeln aus. Mehr wie aufgedunsene Würmer. Der Amerikaner schämte sich. Bryce hatte noch nichts gesagt, doch das musste sie auch nicht. Chris schämte sich auch jetzt schon. Der Schauspieler wusste nämlich haargenau was er seiner Freundin gerade antat und er war ganz gewiss nicht stolz darauf, es war nur … „Chris, ich habe in meinem Kalender stehen, wann ich dich sehen darf. Siehst du denn nicht, wie lächerlich das ist?“ Wut vibrierte in der Stimme des Rotschopfs. Chris, der seine Freundin noch immer nicht ansehen konnte, stocherte nun mit seiner Gabel in seinem Essen herum. Natürlich ohne Hunger oder auch nur Appetit zu haben. Beides war dem Schauspieler längst vergangen. Er … Nun, Chris wusste einfach nicht wohin mit sich. Was sollte er tun? Was sollte er sagen? Normalerweise war der Amerikaner nicht auf den Mund gefallen. Doch er war ein Schauspieler und kein Diplomat. Chris konnte Witze reißen. Er konnte lustig sein. Doch eine Situation wie diese … Zögernd hob er nun doch den Blick. Bryces Anblick erschreckte ihn schier. Ihr Gesicht war eine weiße Maske aus Wut. Die Säure im Magen des Amerikaners brannte unangenehm. Chris holte tief Luft. Im Apartment duftete es wie ein einem italienischen Restaurant. Nach Gewürzen und Tomatensoße. Doch das bemerkte der Schauspieler gerade gar nicht. Einen Moment lang war Chris kurz davor einen Witz zu machen. Kurz davor Bryce irgendeinen Unsinn von Freundinnen von Gefängnisinsassen zu erzählen, die ihre Partner auch nur zu Besuchszeiten sehen konnten. Ein Blick in die finster funkelnden Augen der Kollegin und Chris schluckte den Scherz jedoch wieder herunter. Vermutlich hätte die Schauspielerin ihn ohnehin nicht für besonders komisch gehalten. Nur … Da war wieder das altbekannte Problem. Was sollte der Amerikaner sonst machen? Wie sich verhalten? Die Überforderung war noch immer da. Der Schauspieler hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Bryce gegenüber hatte Chris sich definitiv schlecht verhalten. Er hätte viel mehr zu der rothaarigen Schauspielerin halten sollten. Gleichzeitig war da Anna, die immer weitaus mehr für ihn sein würde als nur seine Ex. Sie war Jacks Mutter. Und eben auch ein Teil ihres einstigen Liebes-Dreiecks, wenn man es so nennen wollte. Der hintergangene Part, was manche Gesprächsthemen generell sehr heikel machte. Und auch heute … Hätte Chris wirklich eine Diskussion über grundlegende Probleme mit seiner Ex starten sollen? Am Telefon? Während Anna in Gedanken schon halb bei ihrer Freundin Chloe gewesen war? Alles, was er über strategisches Vorgehen wusste, das wusste er vom Football, doch Chris war sich ziemlich sicher, dass dies keine taktisch klugen Ideen gewesen wären …
„Wie eine Geliebte, die aufpassen muss, ob die Ehefrau zu Hause ist und die nun schnell abhauen oder sich im Schrank verstecken muss, weil sie überraschend früher nach Hause kommt.“ fuhr die Rothaarige fort. Beim Ton ihres bitteren Lächelns lief es Chris eiskalt den Rücken herunter. Gleichzeitig begannen sofort diverse Alarmglocken in seinem Kopf zu schrillen. Redete der Rotschopf sich gerade in Rage?! Sie tat es! Und das gefiel Chris gar nicht. Er verstand seine Freundin ja, aber es brachte doch auch nichts sich jetzt aufzuregen. Davon, dass der Amerikaner solchen Gesprächen grundsätzlich gern aus dem Weg ging, mal ganz abgesehen. Er rettete als Star-Lord die Galaxie und kämpfte mutig gegen Thanos, doch im echten Leben sah er den Problemen gerne dabei zu wie sie sich selber lösten. Und gerade dieses Thema war eine offene Wunde. „Bryce, bitte!“ Chris hob protestierend die Hände. Sein Gesicht glühte. „Eine Geliebte? Findest du nicht, dass der Vergleich etwas übertrieben ist?” fragte er nach. Chris klang vorsichtig und unschlüssig. Er hatte mittlerweile eingesehen, dass der Sturm nicht einfach so über ihn hinwegziehen würde. Der Amerikaner hoffte allerdings, dass er es schaffen würde das Thema im Keim zu ersticken. Zumindest für den heutigen Abend. Bryce und er mussten sicher nochmal über diese verzwickte Lage reden, doch musste es wirklich heute Abend sein? Jetzt, wo Jack gleich hier abgeliefert werden würde? Wenn der Amerikaner ehrlich war, dann hoffte er für die nächsten paar Minuten auf ein paar weitere aufzuckende Blitze (die wohl oder übel unvermeidbar waren) am dunklen Howard-Himmel und dann auf ein neues Gesprächsthema. Bevor sich die Wege des Paares für den heutigen Abend dann leider trennen würden.
Doch da hatte der Schauspieler die Rechnung ohne den Rotschopf gemacht. Bryce ließ das Thema nun nämlich nicht mehr ruhen. Ehe er sich versah, war jetzt sogar Chris der Böse. „Du hast ja nicht einmal versucht ihr zu erklären, dass es heute Abend eben nicht anders geht und ich auch hier bin. Wenn sie dich dringend braucht, dann sollte es zumindest zu deinen Bedingungen sein. Zu unseren Bedingungen.“ Nun war es Chris, der entschieden den Kopf schüttelte. Grundsätzlich eher entspannt, stieß ihm diese "Anklage" schon irgendwie sauer auf. „Ich habe ihr sehr wohl gesagt, dass du hier bist und dass wir den Abend zusammen verbringen wollen!“ widersprach der Schauspieler seiner Freundin energisch. Okay, gut, Chris hätte das wesentlich deutlicher machen können. Doch so ein Schurke wie Bryce ihn gerade hinstellte war er eben auch nicht! „Ich weiß, es geht dir nicht nur um jetzt gerade, sondern ums Prinzip.“ Er schenkte Bryce ein verständnisvolles Lächeln, welches jedoch schon irgendwie auch grimmig wirkte. Die Worte der Amerikanerin hallten in seinem Kopf wieder. „Und ich habe gesagt, dass ich mit Anna noch mehr über diese prinzipiellen Dinge reden werde und das werde ich auch noch tun.“ beteuerte der Schauspieler. „Aber es geht halt doch auch um die Situation jetzt gerade und es geht bei dieser Sache jetzt, heute Abend, nicht nur um Anna, sondern auch um Jack.“ erinnerte der Amerikaner den Rotschopf mit Nachdruck. „Ich lasse dich nicht hängen, nur um meiner Ex einen persönlichen Gefallen zu tun, der nur mit ihr und ihr allein zu tun hat. Sie pfeift und ich gehorche. So ist das nicht, also stell es nicht so hin!“ forderte Chris. Bryce stellte ihn gerade als den Typen ohne Rückgrat dar, der treudoof nach Annas Pfeife tanzte, dabei versuchte er in der Situation jetzt ein guter Vater und ein vorzeigbares Co-Elternteil zu sein! Wie konnte sie ihn dafür anklagen?! Bei allen Schuldgefühlen macht ihn das wütend! „Glaub mir, ich habe mir diesen Abend auch anders vorgestellt!“ versicherte der Schauspieler seiner Freundin, allerdings mit einem etwas bissigen Unterton. Er hatte eigentlich ruhig bleiben wollen, doch das gelang ihm immer schlechter. Da war so ein störendes Gefühl, so ein nagender Eindruck. Bei allem Verständnis für Bryce (und davon hatte er wirklich viel!) hörte der Schauspieler auch sehr viel 'Ich, ich, ich' aus ihren Worten heraus. ICH sehe dich nach vorher abgemachten Terminen, ICH fühle mich wie eine Geliebte und so weiter. Glaubte sie etwa, dass er ihre Terminkalender-Dates toll fand?! Aber manchmal war es eben nicht so einfach! Zumal in Chris' Leben sich eben nicht nur um Bryce drehte! Manchmal musste er Kompromisse machen und Anna entgegen kommen! Generell mussten Eltern das tun und auch gerade er, dessen Beziehung zur Blondine halt nach wie vor sehr fragil war, ob das der Rothaarigen nun passte oder nicht! „Aber ich bin nicht nur dein Freund, sondern auch Jacks Dad. Und wenn Anna – Jacks Mutter – mich – seinen Vater– braucht, dann bin ich da. Auch wenn es mir mal eigentlich nicht so in den Kram passt. So wie eben heute Abend.“ verkündete Chris und seine Stimme ließ keinen Raum für Zweifel. Der Schauspieler merkte beim Sprechen wie auch er nun langsam echt sauer wurde. Jetzt redete er sich langsam in Rage. Immerhin ... Ja, den romantischen Abend konnte das Paar vergessen und ja, das war ein ziemlicher Mist. Aber wie konnte Bryce so wenig Verständnis für seine Lage zeigen?! Gerade sie, die selber geschieden war und Kinder hatte! Dieser Gedanke war wie ein Kanister voller Öl, der in Chris' Feuer der Wut gegossen wurde! „Das solltest du doch eigentlich verstehen! Du hast doch sicher auch schon tausende solcher Situationen erlebt! Wie oft musstest du Seth schon außerhalb der abgemachten Zeiten mal helfen? Oder auch andersherum, wie oft hat Seth dir in solchen Situationen geholfen? Kannst du es überhaupt noch zählen?“ fragte der Schauspieler sarkastisch wie herausfordernd. „Als Eltern ist man doch ständig mit sowas konfrontiert. Aber klar, wenn ich Anna entgegenkomme, weil sie den Vater ihres Sohnes heute braucht, dann bin ich ein Type ohne Rückgrat, der seine Freundin hängen lässt!“ Chris schnaubte verärgert. Der Amerikaner holte tief Luft und zählte seine Atemzüge. Das sollte ja beruhigend wirken. Chris erhob sich von seinem Stuhl. Ziellos ging er durch das Wohnzimmer. Er konnte einfach nicht mehr still sitzen bleiben. Schließlich lehnte er sich an der Fensterbank an, den Blick auf Bryce gerichtet. „Wie gesagt, ich weiß, es geht dir um grundsätzliche Dinge. Nicht nur um diese Situation jetzt. Und ich verstehe wirklich, dass du willst, dass ich das kläre.“ gestresst fuhr er sich mit der Hand durchs kurze Haar. Er wollte nett zu ihr sein. Und verständnisvoll. Und all das. Doch wo war ihr Verständnis für ihn? Ja, Bryce war geduldig gewesen, doch Verständnis ließ sie gerade echt vermissen. Und das wurmte ihn. Sie sah ihre Perspektive. Was war mit seiner? „Aber wie hätte ich denn in dieser Situation jetzt, deiner Meinung nach, vorgehen sollen? Du bist nicht glücklich damit wie ich reagiert hab, aber was hätte ich, deiner Meinung nach, machen sollen? Die Mutter meines Sohnes braucht den Vater ihres Kindes und Jack braucht seinen Dad. Verlangst du wirklich von mir, dass ich in der Situation jetzt erstmal noch groß mit Anna über irgendwelche Grundsatz-Sachen diskutiere? Meinst du wirklich, dass das gerade am Telefon ein guter Zeitpunkt gewesen wäre, um mal eben zwischen Tür und Angel Grundsätzliches zu besprechen?“ Chris lachte humorlos auf, die Arme vor der Brust verschränkt. Einen Moment lang musterte er Bryce schweigend, die Augen zu Schlitzen verengt. „Tust du das? Weißt du, man könnte es fast denken. Dass du wirklich glaubst, dass all das mittlerweile so leicht für mich ist, dass ich Anna mal eben am Telefon die Leviten lesen kann.“ Er schüttelte den Kopf. Ein Schatten huschte über das Gesicht des Amerikaners. Plötzlich war die Wut wie weggezaubert. Mit einem Mal wirkte Chris eher müde und verbittert als wirklich zornig. Jetzt fühlte er sich ruhiger, aber nicht wirklich besser. „Vielleicht gelingt es mir nicht immer, aber ich versuche ein guter Freund für dich zu sein. Ich will der beste Dad überhaupt für Jack sein. Und dann ist da Anna.“ Chris atmete hörbar ein und aus. „Ich bin der Mann, dem sie mal ewige Treue geschworen hat, der Vater ihres Sohnes und das Arschloch, dass sie mit ihrer besten Freundin betrogen hat. Heute bin ich froh, wenn wir an guten Tagen eine halbwegs freundschaftliche Basis haben können.“ Der Amerikaner sah Bryce eindringlich an. „Verstehst du, es ist manchmal – zum Beispiel heute Abend – echt schwer all das zusammen zu bringen. Dann will ich mit dir den Abend verbringen, aber ich will auch für Jack da sein und Anna will ich auch entgegenkommen, wenn sie mich braucht. Und auch generell. Ich will für meinen Sohn da sein und Anna lässt mich das grundsätzlich auch. Wir machen Kompromisse und sind ein vorzeigbares Eltern-Team. Trotz allem. Doch meine Beziehung zu dir ist Anna noch immer ein Dorn im Auge. Ich versuche Partei für dich zu ergreifen, aber wenn ich den Bogen überspanne, dann schadet das meiner Beziehung zur Mutter meines Kindes und so auch meiner Beziehung zu Jack.“ Ein bitterer Seufzer entfuhr dem Amerikaner. „Ich will es allen recht machen, doch das ist alles andere als leicht. Es ist ein Spagat und ich versuche ihn hinzukriegen, Bryce. Ich gebe mir wirklich Mühe. Du kannst nicht echt denken, dass ich mit Annas Einfluss auf unsere Beziehung glücklich bin. Natürlich bin ich das nicht! Und ich möchte Veränderungen herbeiführen. Doch das ist in der Situation eben noch immer nicht so einfach!“ stellte er klar. Chris' Stimme klang brüchig und heiser. Da war Verzweiflung und doch auch brennende Intensität. „Ich weiß, dass ich ein besser Freund für dich sein sollte und, glaub mir, ich wäre gerne ein besserer Freund für dich, doch das darf nicht zugunsten von meiner Beziehung zu Jack gehen.“ fuhr der Amerikaner mit ernster Miene fort. „Es ist wie ich es gesagt habe. Es ist ein Spagat und ich bemühe mich, doch du musst akzeptieren, dass ich nunmal nicht Simone Biles bin.“