06.06.2021, 02:35
Während Lizzy und Kristen miteinander sprachen schielte Rob mal zu seiner Schwester und dann fixierte er wieder die Blondine mit seinen Blicken. Die meiste Zeit aber war er mit seinen Fritten beschäftigt. Oder so wirkte es zumindest. Der Engländer sah schweigend auf seinen Teller. Mit blinden Blicken betrachtete er die Pommes, von denen viele schon ganz matschig und irgendwie aufgedunsen aussahen. Eigentlich gar nicht mehr appetitlich und gleichzeitig genau richtig so. Sie hatten irgendwie alle für sich recht. Seine Eltern und Lizzy und die Amerikanerin. Robert konnte sehr genau verstehen woher sie argumentativ alle kamen. Es war wie Claire gesagt hatte. 'Er war seitdem nicht mehr der gleiche Robert. Sicherlich war er irgendwann wieder glücklich, aber ich sehe ihn erst wieder so aufrichtig lachen seitdem ich von euch Beiden weiß und das kann mich nur freuen, oder?' Das konnte der Londoner ohne zu zögern so unterschreiben. Lizzy hatte behauptet, dass es seit Twilight für ihren Bruder eigentlich immer nur Kristen gegeben hatte. Auch das stimmte. Nun war die Amerikanerin wieder in sein Leben zurückgekehrt. So richtig zurückgekehrt. Als die Frau an seiner Seite. Jetzt konnte der Engländer auch endlich wieder glücklich sein. Richtig glücklich. Natürlich freuten sich Lizzy (und Victoria) und Richard und Claire also über den Ehrengast aus Amerika. Für sie war Kristen sowas wie die Kavallerie, die glorreich vorgeprescht war um den Tag und Roberts Herz zu retten. So drastisch hätten sie das natürlich allesamt nie ausgedrückt. Doch so empfanden sie es letztlich doch. Und Kristen? KStew hatte mit anderen Reaktionen gerechnet. Gedanken wie 'Eigentlich müssten sie mich hassen.' und 'Ja, aber das ist ja kein Grund für euch mich wieder mit offenen Armen zu empfangen, weißt du? Ich habe wirklich mit einer Standpauke von Claire und Richard gerechnet, aber nichts. Womit hab‘ ich das verdient.' waren durchaus auch nachvollziehbar. Nach allem, was passiert war ... Aber genau das war für Rob der Punkt. Nach allem, was passiert war. Diese Gespräche zwischen Roberts Eltern und Kristen und Lizzy und der Blondine drehte sich zu großen Teilen um die Vergangenheit. Um Dinge, die passiert waren. Fehler, die gemacht worden waren und deren Echo. Beziehungen zu anderen Frauen, die es gegeben hatte. Deshalb wurde Rob das Ganze auch irgendwie immer unangenehmer. Nich direkt peinlich. Es war nicht wie dieser berühmte Traum, bei dem man in die Schule ging und plötzlich merkte, dass man splitterfasernackt war. Nicht diese Art von peinlich. Es war mehr ... Rob schaufelte sich ein paar Fritten in den Mund ... Vielleicht eine Art genervt sein. Hundertprozentig traf es das aber auch nicht. Es war ... Der Schauspieler fuhr sich mit der Hand durchs Haar, dieses Mal war es jedoch echtes Haareraufen. Es war so schwer in Worte zu fassen. Rob verstand sie wirklich alle. Er verstand ihre Freude und ihre Ängte. Alles. Aber warum konnten sie nicht einfach damit aufhören? Es war so ein dummes Grußkarten-Klischee, aber warum konnten sie diese ganze Situation nicht wie eine Art Buch betrachten und nun begann ein neues Kapitel oder man schlug eine Seite um oder was auch immer. Klar, Rob war diesbezüglich absolut ein Gefangener des Glashauses und sollte die Steine schön brav in Ruhe lassen. Er selber hatte die Vergangenheit jahrelang nicht ruhen lassen können. Da konnte der Brite es schlecht von anderen erwarten. Zumal die eigene Vergangenheit einen vermutlich auch nie ganz freigeben würde. Das war dem Schauspieler alles durchaus klar. Aber in diesem Moment realisierte der Engländer erstmal so richtig, dass er an der Gegenwart und an der Zukunft so viel mehr Interesse hatte als an der Vergangenheit. Was Kristen getan hatte würde vermutlich immer gewisse Schatten werfen. Sie konnte es ja schließlich nicht ungeschehen machen. Es würde also immer in der Vergangenheit existieren. Doch sowohl Kristen als auch Robert hatten durchaus einen Einfluss darauf, wie sie damit umgehen wollten. Wie viel Macht sie dieser Sache geben wollten. Also warum fingen sie nicht jetzt damit an, indem sie aufhörten die Gegenwart durch die Linse der Vergangenheit zu sehen? Warum konnte seine Familie nicht einfach nur glücklich sein, dass Kristen heute hier war? Nicht weil sie ihn vor einem traurigen Liebesleben voller glückloser Romanzen (aka Liebeleien wie seine letzten) gerettet hatte, sondern weil sie einfach heute hier war? Am liebsten hätte Rob mit donnernder Stimme einen Themawechsel befohlen. Aber er war ein skurriler Junge aus London und kein Herrscher bei Game of Thrones... Dennoch, so ein Themawechsel! Vielleicht ....
„Das war eine Überraschung, was?“ Kristens Stimme riss den Schauspieler aus seinen Gedanken. „Du meinst, dass meine Eltern vorbeigeschaut haben?“ fragte er nach. Hä? Wo war eigentlich Lizzy? „Ich glaube, jetzt wäre ich bereit für eine Portion Fish and Chips.“ Der Engländer schob seine Portion Fish and Chips in Kristens Richtung. „Bedien dich.“ Robert reckte leicht den Hals und ließ seine Blicke durch den Pub wandern. Er fand seine Schwester dann schließlich schnell, mit der glitzernden Tiara war sie schwer zu übersehen. Sie war wohl grundsätzlich auf dem Weg zur Damentoilette, unterhielt sich nun aber lebhaft mit einer rundlichen Frau mit schlumpfblauen Haaren. „Wusstest du, dass deine Eltern kommen würden?“ Es klang beiläufig, war es jedoch nicht. Der Schauspieler kannte seine Kollegin besser als das. „Ich wusste nicht, dass sie hierher kommen würden. Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich es dir auch definitiv gesagt.“ Der Londoner respektierte Kristens Wunsch nach Beiläufigkeit, indem auch er diesen Ton annahm. Unterstrich seine Worte aber mit einem ehrlichen Lächeln. „Nein, ich hatte jetzt immer gedacht, dass sich sich heute morgen schon mit Lizzy getroffen haben.“ Der Brite zuckte mit den Achseln. Da hatte er wohl falsch gedacht. Einige Augenblicke lang aßen die Schauspieler schweigend vor sich hin. Rob sah sich nach dem Geburtstagskind um. Lizzy war nicht mehr zu sehen und ihre blauhaarige Freundin orderte gerade einen weiteren Drink am Tresen. Wahrscheinlich hatte ihre volle Blase Lizzy dann letztlich doch sozusagen in die Knie gezwungen. In Gedanken war der Engländer aber noch immer mit seinen Überlegungen von gerade eben beschäftigt. Der Brite räusperte sich. „Hey, ähm, wollen wir vielleicht mal kurz rausgehen?“ Der Ton war noch immer lässig und beiläufig. In Robs Augen stand jedoch eine Bitte.
Die Kristen zu lesen wusste. Hand in Hand schlängelten sie sich an den anderen Pub-Besuchern vorbei. Das Paar verließ dieses kleinen Paralleluniversum aus Wärme, Bier und Bratfett und befand sich bald darauf vor dem Pub. Hier war es kalt und nieselte, doch wenigstens waren die Schauspieler für sich. Zumindest mehr oder weniger. Unweit von ihnen stand ein schlaksiger Mann und zündete sich gerade eine Zigarette an. Die Flamme seines Feuerzeugs ließ Schatten auf seinem blassen Gesicht tanzen. Ein bebrilltes Mädchen war bei ihm. Das Mädchen schielte nun neugierig zu Kristen und Robert hin. Hinter den Gläsern ihrer Brille sahen ihre Augen unheimlich groß aus. Der Raucher tippte der jungen Frau dann jedoch mit einem knochigen Finger auf die Schulter und verwickelte sie in ein Gespräch. „Du ... Ähm ...“ begann Rob. Das Wummern der Bässe drang bis auf die Straße hinaus und Schnipsel des Songtexts waren auch außerhalb des Pubs gut zu verstehen. Das Lied, welches die Liveband gerade spielte, handelte von einer überstürzten Liebe. Ja, der Pub war sehr nah und doch war der Engländer froh, dass er mit seiner Freundin nach draußen gegangen war. Hier war es trotz der Nähe zum Pub doch ruhiger und privater. Irgendwie schien das für ein Gespräch wie dieses angemessen zu sein. „Du musst dir keine Sorgen machen, meine Familie ist nicht von Aliens ausgetauscht oder gehirngewaschen worden.“ Der Brite lachte auf. „Und wir sind auch nicht die nettesten Menschen der Welt – wie du ja an mir manchmal merkst.” Rob grinste schief. „Es ist nicht so, als wären sie nie wütend auf dich gewesen. Jetzt ist Lizzy so nett, aber wenn du ihr zur falschen Zeit und am falschen Ort begegnet wärst, dann hätte sie dich in tausend Stücke gerissen, glaub mir.“ Aus dem Grinsen wurde ein mattes Lächeln. „Aber was sie sagen stimmt. Ich bin glücklicher seit wir wieder zusammen sind. Also wenn das ihr Verhalten für dich eher erklärt, dann sag dir einfach, dass es dabei gar nicht so sehr um dich geht. Sie sind glücklich, dass ich glücklich bin. Du interessierst sie dabei noch weniger.“ meinte der Engländer halb im Scherz und halb ernst. „Noch. Und das ist eigentlich genau die Sache, weshalb ich eigentlich mit dir reden wollte.“ Wieder fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. Dieses war mittlerweile durch den Nieselregen schon ein wenig feucht. „Gerade eben, da drin ...“ Rob deutete hinter sich. „Alle waren so sehr mit der Vergangenheit beschäftigt. Was gewesen ist und was für Konsequenzen das noch hat oder nicht. Und ich versteh das, echt!“ Der Brite hob leicht die Hände. „Ich weiß schließlich sehr genau wie es sich anfühlt der Vergangenheit viel Raum zu geben.“ Kurz wandte er den Blick ab, dann sah er der Blondine aber wieder in die Augen. „Aber ich will einfach, dass du weißt, dass diese Dinge wirklich für mich in der Vergangenheit sind. Vielleicht sind sie für Lizzy und meine Eltern noch relevanter. Aber für mich ... Sie sind nicht vergessen, aber ich ...“ Für Robert war es schwer die richtigen Worte zu finden. Seine Worte klangen in seinen Ohren ungeschickt und sperrig. „Alle scheinen noch sehr mit der Vergangenheit beschäftigt zu sein. Sei es dein Fehler oder meine anderen Beziehungen oder was auch immer. Und ich verstehe das und ich weiß, dass man die Vergangenheit auch nicht einfach so abstreifen kann. Aber mich persönlich interessiert all das gar nicht mehr so sehr.“ Robert atmete tief ein und wieder aus. „Was mich viel mehr interessiert als die Vergangenheit ist unsere Gegenwart und unsere Zukunft.“