16.01.2022, 10:00
Langsam taute Jennifer auf. Wie sich herausstellte war der erste Schock plötzlich Daniel vor sich zu haben doch weitaus weniger schwer verdaulich als Gänsebraten. "Können wir gerne machen, aber sobald ich irgendwo was von Bella Swan oder Edward Cullen lese bin ich weg." Jennifer lachte auf. „Das ist jetzt wohl der perfekte Moment um dir zu beichten, dass ich damals für die Rolle der Bella Swan vorgesprochen habe.“ meinte die Blondine schmunzelnd. Jennifer hob die Hand bevor Daniel Etwas sagen konnte. „Bevor du mich jetzt bis in alle Ewigkeit für die zutiefst fragwürdigen beruflichen Ziele meiner Jugend verurteilst …“ Jennifer kicherte. „…Bedenke Folgendes: Ich war jung und hoffte auf das Geld.“ Die Amerikanerin hob pseudo-entschuldigend die Schultern. Sie zuckte mit den Achseln, wie als wollte sie damit sagen 'Tja, war halt so.' „Gebrauchen können hätte ich es auf jeden Fall.“ fügte Jen in diesem nach wie vor amüsierten Tonfall hinzu. Die Blondine sagte das so als wäre es kaum mehr als ein Witz. Denn die Vorstellung von einer Jennifer, die leblos in die Kamera starrte und zwischen Team Edward und Team Jacob wählen musste, die kam der Schauspielerin heute wie ein bizarrer Scherz vor. Wie eine groteske Anekdote, die man … nun … in Situationen wie jetzt erzählte. Oder die man lallend preisgab, wenn man in einer netten Runde beisammensaß und nicht mehr ganz nüchtern war. Der Jennifer-als-Bella-Teil ließ die Schauspielerin also schmunzeln. Doch Jens Worte enthielten natürlich auch einen wahren und ernsten Kern. Als junger, unbekannter Schauspieler musste man sich doch über jede Rolle freuen, die man überhaupt bekam. Man konnte sich seine Rollen nicht aussuchen, hatte aber Miete zu zahlen und trotz Hollywoods total gestörtem Schönheitsideal manchmal auch das Verlangen nach einer Mahlzeit, die man auch finanzieren können musste. Also nahm man durchaus auch Rollen an, die man persönlich nicht gerade toll fand und spielte auch in Filmen mit, deren Drehbücher einem nicht unbedingt zusagten. So oder so, es war Zeit das Thema langsam gehen zu lassen. Jennifer räusperte sich. „Ich wollte es nur gesagt haben. Mit solchen Leichen im Keller geht man am besten offen um, sonst machen sie einen viel zu erpressbar.“ meinte sie abschließend zu diesem Thema und zwinkerte.
Was ihr Gesprächsthema anging verabredeten sich die Kollegen von der Vergangenheit und wandten sich der Gegenwart zu. Das Gespräch drehte sich nun um Dan und seine Rolle – beziehungsweise zunächst mal um den Namen dieser Rolle. "Naja fast, Ich habe darum gebeten den Vornamen in Arthur zu ändern, denn mir ist eine Historische Ungenauigkeit aufgefallen, aber ja, ich bin Mr. Gladstone." Jennifer deutete ein Nicken an und ihre Lippen formten ein stummes wie überraschtes 'Oh'. Jens Stirn war leicht gerunzelt. „Eine historische Ungenauigkeit?“ hakte sie nach und schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr, was Ihre Ohrringe leise klimpern ließ. Eine historische Ungenauigkeit. Damit hatte die Blondine nicht gerechnet, ihre Augen funkelten jedoch interessiert. Um was es dabei wohl ging? „Für mich klingen beide Namen ziemlich altmodisch und versnobt, ehrlich gesagt. Es sind beides Namen wie die Queen sie ihren Kindern geben könnte.“ Falls sie das nicht sogar getan hatte. „Aber was weiß ich schon? Ich bin eine ignorante Amerikanerin. Alles, was ich über imposante Vornamen und englische Royals weiß, das hab ich aus dem OK Magazine und aus The Crown .“ witzelte Jen und schnitt die dazu passende Grimasse. Natürlich war sie längst nicht so ignorant wie sie gerade vorgab zu sein. Sie kokettierte halt ein wenig, nahm sich und ihre Landsleute etwas auf die Schippe und spielte auf Klischees an. Und man musste ja irgendwo auch bedenken, dass Amerika nunmal wirklich keine Monarchie zu bieten hatte. Hier gab es keine blassen Typen mit verstaubten Namen, die goldene Kronen auf ihren Häuptern trugen. Der letzte König, den Amerikas Staaten gesehen hatten, war ein gewisser Elvis Aaron Presley gewesen. Der King war 1977 gestorben und seitdem hatte niemand den royalen Titel mehr für sich beansprucht.
Doch zurück zum eigentlichen Thema! Daniels Rolle, in der Jennifer ihn durchaus sehen konnte, wie sie ja schon hatte verlauten lassen. "Dann bin ich mal erleichtert." Jen grinste frech von einem Ohr zum anderen. „Erleichtert muss du da gar nicht sein. Aber sieh es vielleicht als zusätzliche Bestätigung. Wenn ich dir sowas nämlich sage, dann kannst du davon ausgehen, dass ich es auch wirklich so meine. Ich habe viel zu wenig gute Manieren und bin auch viel zu faul, um dich oder einen anderen Kollegen was sowas angeht anzulügen. Seine Lügen muss man sich ja schließlich merken.“ verkündete sie vergnügt. Ob Daniel so eine zusätzliche Bestätigung wohl brauchte? Seine nächste Aussage hätte es Jennifer beinahe vermuten lassen können. "Gut, ich glaube viel mehr an Qualifikationen als Brite und Altersmässig im richtigen Rahmen sein gab es nicht." Jen verschränkte die Arme vor der Brust, gab ein Brummen von sich und sah den Londoner tadelnd an. Als ob jeder dahergelaufene Brite Dans Job machen könnte! Gib mir dein bestes Queen's English oder einen authentischen Cockney-Dialekt und dafür bekommst du eine Hauptrolle. Nein, nein, nein! Die Blondine schüttelte den Kopf, sicher hatte Dan nicht nur mit seinem Pass überzeugt. „Wenn dem wirklich so wäre, wenn allein deine Herkunft und dein jungenhafter Charme so entscheidend wäre, dann könnte ich ja jetzt auch vor Paddington Bär stehen.“ konterte die Schauspielerin und reckte leicht das Kinn. Auch wenn Jennifers Aussage nicht ganz stimmte. Paddington kam bekanntlich aus dem dunkelsten Peru und war, wenn man es genau nahm, daher nur "Wahl-Londoner". Patton fand es dennoch komisch. Er ließ nämlich ein bellendes Lachen von sich hören, welches Jen mit einem Blick in seine Richtung und einem Grinsen kommentierte. Dann wandte die Blondine sich wieder Dan zu. „Nein, es haben garantiert noch andere Faktoren eine Rolle dabei gespielt, dass du diese Rolle bekommen hast.“ Sie feixte noch immer. „Dein Ruhm zum Beispiel. Das Publikum kennt deinen Namen und ist vertraut mit deinem Gesicht. Produzenten mögen sowas.“ wollte Jennifer Daniel ein wenig aufziehen. Schließlich wurde die Amerikanerin jedoch ernster. „Aber mal im Ernst, du bist ein toller Schauspieler mit sehr viel Talent und Erfahrung und ich glaube, dass du deshalb die Rolle bekommen hast. Alles andere ist nur das Sahnehäubchen auf der Torte.“ Jennifer sah Daniel einen Augenblick lang schweigend an. Nur einen Wimpernschlag lang, doch es fühlte sich – ganz klischeehaft – länger an. Und relativ intim. Fast so als wären die Kollegen ganz allein im Raum. Noch so ein Klischee. Aber irgendwo kamen die ja auch her, also die Klischees. Ein ehrliches Lächeln umspielte die Lippen der Blondine. Die Ulknudel von gerade war verschwunden. An ihrer Stelle stand nun eine ernste junge Frau mit sanften Gesichtszügen vor Daniel. „So oder so, ich freue mich sehr auf unsere Zusammenarbeit.” Und das stimmte auch wirklich. An Alex verschwendete Jennifer mittlerweile schon keinen Gedanken mehr. Daniel würde ihr Leading Man sein und das kam der Amerikanerin durch und durch richtig vor.