12.06.2020, 09:05
Ninas Kopf hing schief und sie starrte Ben an. War er schon immer so gewesen? Gott am liebsten würde sie ihm einen Eimer Wasser ins Gesicht schütten, nur um dieses Grinsen wegwischen zu können. Arrogant, das war ein Wort, das Nina einfiel, die anderen Wörter waren einfach nicht jugendfrei. Da stand er, fühlte sich besonders und war dabei eigentlich nur einer von vielen. Sie sollte viel öfters die Musik lauter machen, nur damit sie ihn ärgern konnte. Ja ihr war durchaus klar, dass dies kindisch war aber Nina hatte es satt, sicher immer nach allen anderen richten zu müssen. Sie war eben nicht das brave Mädchen, das es allen recht machen musste. Sie war jung, sie war allein und verdammt noch einmal, das war ihr Leben. Ihre Entscheidungen. Ihre Fehler. Wut stieg ihn ihr auf, nicht auf Ben, sondern sein Verhalten. Doch verband man britisch nicht immer mit arrogant. Nina nahm einen Schluck aus der Wodkaflasche, die sie in ihrer Hand hielt. Wie und wann kam sie dahin? Auch egal, in ihren Mund und ihre Kehle floss es fast von ganz allein. "Was Tee trinken und Karten spielen. Seit du hier wohnst, habe ich kaum jemanden hier gesehen, der zu dir wollte. Liegt vielleicht daran, dass du ein Spießer bist. Meine Freunde sind immer um mich herum, deine laufen anscheinend vor dir davon." Nina und Alkohol war eine Kombination, die nicht die freundlichste war. Sie war gemein, hemmungslos und schnell gereizt. Ihre Laune schlug in einer Sekunde zu anderen um. "Als wüsste du was Promille ist und Alkohol, das einzige, was du machst, ist auf deinem Sessel sitzen und darauf zu warten, dass ich etwas mache, was dir nicht passt. Mit anderen Worten einfach alles. Dein Problem ist, dass dein Leben langweilig ist und meins nicht." Julianne wusste genau, dass es schlimmer werden konnte und so stellte sie sich zu Nina. Die kühlen Hände an ihren Wangen brachten sie ein wenig ins hier und jetzt, aber nicht genug um klar zu denken. Alkohol, war nicht ihr bester Freund, aber er unterdrückte so vieles, was sie am liebsten begraben wollte.
Sie schaute ihn einfach an, natürlich hatte sie seine Worte gehört und fragte sich, woher er sie kannte. Es bestand kein Kontakt zwischen den Beiden, noch nie hatte sie ein Wort mit dem Mann vor ihr gewechselt, aber wie alle anderen urteilten sie aufgrund von was? Aber tat sie nicht das Gleiche, doch diesen Gedanken verdrängte sie sofort. "Und du kennst mich weil? Ich bin gerade etwas ratlos, woher du mich kennst? Ahhh..." jetzt musste sie laut lachen "...du glaubst mich und mein Leben zu kennen, weil ich Partys feiere? Oh Gott du bis genau wie alle anderen da draußen, du glaubst was du liest und hörst. Hast du schon mal mit mir ein Wort gewechselt und gefragt, wer ich bin? Nein aber schnelles urteilen ist viel einfacher, als sich die Mühe machen jemanden kennenzulernen. Aber gut, bilden wir uns eine Meinung aufgrund von wenigen Tatsachen. Dann sehen wir mal. Mamasöhnchen, kaum Freunde, Stock im Arsch, Langweiler, zu viel Freizeit, du urteilst ohne zu fragen, du bist das, was man in Hollywood glatt gelutscht nennt." Nina war sauer. Sauer auf Ben, weil er sie nicht kannte, aber glaubt sie zu kennen. Wie alle anderen da draußen. Entsetzt musste sie feststellen, dass sie weinte. Sie weinte vor Ben. Energisch wischte sie sich die Tränen weg und schnappte sich das Glas von einer anderen Freundin um es leerzutrinken. Nina war sauer, dass sie überhaupt zu ihm gegangen war und nicht einfach getrunken hatte. So vieles wäre ihr erspart geblieben.
Nina beeindruckte es nicht, dass er mit Jules tanzte. Sie hatte schon immer eine schwäche für langweilige Männer, warum sollte es also jetzt anderes sein. So wischte sie sich die letzten Tränen weg und lehnte sich an die Wand. "Wenn du dann dein Charityprojekt beendet hast, können wir weiter feiern. Ben muss schon längst im Bettchen sein." Sie schenkte ihm ein Lächeln, das eigentlich ein Stinkefinger sein sollte, und schaute den Beiden zu. Nach ihrem ersten Treffen, hätte sie niemals gedacht, dass er so fast schon herablassend war. Doch sie hatte sich getäuscht und das macht sie aus unerklärlichen Gründen, sehr traurig. Ben war wie alle anderen, er urteilte über sie, ohne sie wirklich zu kennen. Nina entging völlig, dass sie ebenso gehandelt hatte.