08.11.2020, 01:30
Im einen Moment hatte Jennifer übertrieben-angewidert die Nase gerümpft, Ben seine Fischpampe gereicht und währenddessen ein amüsiertes Lachen unterdrückt. Bereits im nächsten war ihr nicht mehr nach einer Lachsalve zumute gewesen und überhaupt, die ganze Leichtigkeit war verschwunden gewesen. Jetzt saß die Blondine versteift in ihrem Strandkorb, sah auf das Meer hinaus und sah doch nicht richtig hin. Ohne es bewusst zu tun, knabberte die Amerikanerin an ihrer Unterlippe herum. Angespannt wartete die Blondine auf eine Reaktion ihres Freundes. Jen spitzte die Ohren und hörte dabei das rhythmische Rauschen der Wellen nicht. Es ging nur um Benedict. Der Gedanke 'Warum eigentlich?' schoss Jen dabei durchaus, einer angestoßenen Billardkugel gleich, durch den Kopf. Immerhin hatte Jennifer dem Engländer keinen Heiratsantrag gemacht. Wen kümmerte es, ob der Brite diese Party auch romantisch fand oder nicht? Doch die Amerikanerin kannte die Antwort auf diese Frage. Es ging nämlich gar nicht um diese Feier und die Frage, ob Ben sie nun romantisch fand oder nicht. Nicht wirklich. Manchmal musste man Etwas nicht wirklich auszusprechen, um es anzusprechen. 'Manchmal' war auch jetzt. Die Frage der Blondine war keine Smalltalk-Frage. Keine leicht veränderte Version von 'Heute ist aber schönes Wetter, was?'. Es ging um so viel mehr als nur darum ein wenig zu Plaudern und dafür ein Thema zu haben. Das wusste Jennifer – und sie war sich ziemlich sicher, dass auch Benedict es wusste. Es ging vielleicht nicht darum hier und heute nichts Geringeres als die Frage nach der Zukunft des Paares zu beantworten. Aber man näherte sich dieser Frage durchaus an ...
Endlich, nach einer empfundenen Ewigkeit, reagierte der Londoner auf die Worte seiner Freundin. Jen hielt die Luft an und klammerte sich an dem Teller fest, den die Amerikanerin in den Händen hielt. Ihre Knöchel traten weiß hervor. Doch all das geschah ohne, dass die junge Frau es bewusst tat. Für sie gab es gerade nur die tiefe Stimme des Engländers. "Auf jeden Fall. Mich würde es nicht wundern, wenn die Hälfte der Singles auf dieser Party mit einem neuen Partner nach Hause gehen." Jen zog eine Augenbraue hoch. Das war nicht die Antwort, die sie sich erhofft hatte. Und auch nicht die Antwort, mit der sie gerecht hätte. Ein 'Worauf willst du hinaus?' hatte der Blondine eher vorgeschwebt. Damit hätte sie sozusagen arbeiten können. Aber nein. Bei Benedict klang das hingegen eher so freundlich-beiläufig oder gar höflich-gleichgültig. Ein charmantes,verbales Achselzucken. So als wollte der Schauspieler sagen 'Ach, ja, ist schon ganz nett hier. Und vielleicht funktioniert diese Party ja auch als Singlebörse, wär ja schon schön für all die einsamen Herzen hier, die sich nach einer neuen Liebe sehen. Mich betrifft es ja nicht, aber für diese Leute wäre das schon schön, ich würd es ihnen gönnen.' „Ah ...“ presste Jennifer mit dünner Stimme hervor. „Ja, das denke ich auch.“ Die Amerikanerin war enttäuscht. Am liebsten hätte sie den Londoner angeschrien, ihn am Kragen gepackt und heftig geschüttelt. Wusste er doch ganz genau, dass diese Antwort eigentlich Bullshit war! Doch auch Jennifer hatte sowas wie eine Impulskontrolle und würde Benedict für seine Antwort auf ihre Frage (zumindest jetzt) nicht rügen. Der Schauspieler hatte ja immerhin, wenn man von der Frage hinter der Frage einmal absah, eine durchaus akzeptable Antwort gegeben. Unschlüssig was sie nun tun sollte und auch etwas überrumpelt von Benedicts ach so distanziertem Kommentar, tat Jen erstmal so, als wäre alles in Ordnung. „Mich würde das auch nicht wundern.“ stimmte sie dem Brite zu, die Stimme wieder fester. Mit geschlossenen Augen streckte Jennifer ihr Gesicht der Sonne entgegen. Auf einen Außenstehenden hätte es sicher sehr harmonisch gewirkt. Das Rauschen der Wellen. Die tiefblaue Farbe des Wassers. Der feine, weiße Sand. Eine junge Frau, welche die letzten Sonnenstrahlen des Tages auskostete. Es fehlte eigentlich nur noch ein Magnum und Schokolade, die knackte, wenn Jen genüsslich ins Eis biss. Doch das war nur Fassade. In Jennifer arbeitete es gewaltig. Da war Bens Antwort. Eine vielleicht sogar ausweichende Antwort? Und der Gedanke ... Nun ... An dem Verlobungs-Virus an die eventuelle Zukunft des Paars.
Die Amerikanerin war nie so ein typisches Girly Girl gewesen, welches die Farbe Pink liebte und von einer Traumhochzeit träumte. Jennifer war immer schon eher das Mädchen gewesen, welches dem Prinzen das Pferd stahl, im Galopp davon ritt und den Königssohn auslachte, wer war auch schon so dumm und ließ sich seinen Schimmel klauen?! Ja, selbst als kleines Kind hatte Jennifer die mutige Mulan tausend Mal toller gefunden als das romantische Schneewittchen. Also die Amerikanerin war wirklich nie so ein Mädchen gewesen, dessen größter Traum weiß und aus Tüll gefertigt war. Aber ... Wenn doch alles passte, dann war an so einer Hochzeit doch echt nichts Schlimmes! Im Gegenteil! Denn letztlich war so eine Hochzeit doch das Versprechen, dass man füreinander da sein wollte. Man bekannte sich zueinander und versprach, dass man füreinander da sein wollte. Und das nicht nur heute, wo vielleicht alles perfekt war. Sondern auch morgen, wenn es vielleicht mal nicht mehr so perfekt oder sogar auch mal richtig scheiße sein würde. Das war doch ein sehr schönes Veraprechen. Und die Feier selber konnte man doch auch so ausrichten wie man wollte. Man musste als Braut ja schließlich nicht unbedingt eine Monstrosität aus Seide tragen und man musste auch nicht zwangsweise tausend Leute einladen oder alles total kitschig gestalten. Manche Leute ließen sich von einem Priester trauen, andere von einem Elvis-Imitator. Jeder konnte so heiraten, wie er wollte. Also, wenn wirklich alles passte, was sprach dann dagegen?
Blinzelnd spähte Jen zu Benedict hinüber. Bei ihnen passte doch alles. Daher, was würde – ganz grundsätzlich – dagegen sprechen? Die Amerikanerin räusperte sich. „Ben?“ fragte sie ein wenig zittrig. Ihr Herz schlug wild in ihrer Brust. „Könntest du dir vorstellen mich zu heiraten?“ fragte Jennifer dann gerade heraus. Einmal angefangen waren die Worte einfach so aus ihrem Mund heraus gerutscht. Aber das war okay. Jen spürte, dass es okay war. Sie war durchaus nervös und ein Teil von ihr wollte den Blick von dem Briten abwenden. Doch Jennifer sah ihren Freund weiter an. Sie hob die Hand, damit der Londoner ihr nicht noch ins Wort fallen würde. „Das ist jetzt kein Antrag, keine Sorgen!“ Jen lachte auf. Es sollte lässig klingen, doch ihre Stimme überschlug sich ein wenig. „Ich ...“ Die Blondine fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich meine ... Naja ... So ganz allgemein halt.“ Auch jetzt war die Schauspielerin um einen zumindest halbwegs beiläufigen Ton bemüht. Dabei wusste Benedict wohl genauso gut wie sie, dass dies alles andere als ein beiläufiges Gespräch war