14.09.2020, 10:33
Dear Prudence
Won't you come out to play?
Dear Prudence
Greet the brand new day, hey
The sun is up, the sky is blue
It's beautiful, and so are you
Dear Prudence
Greet the brand new day, hey
The sun is up, the sky is blue
It's beautiful, and so are you
MÉLANIE LAURENT & PAUL RUDD # PAULS APARTMENT # 19. JUNI 2018 # FRÜHER ABEND
Vor über zwei Monaten, nach einer hässlichen Erkenntnis in einem wunderschönen Park, hatte Mélanie sich einer Mission verschrieben. Die Französin wollte die Situation nicht mehr so hinnehmen, wie sie war. Es musste sich etwas ändern, bevor es zu spät war, um noch etwas zu ändern. Mélanie liebte Ben und Ben liebte Mélanie. Das war doch schon einmal ein guter Anfang. Mélanie liebte es Zeit mit ihrem Mann zu verbringen. Ihr Mann liebte es Zeit mit seiner Arbeit zu verbringen. Da fing die Sache schon an zu bröckeln. Die kleine Familie lebte nun seit etwa einem Jahr in New York. Die ersten Monate war es vollkommen in Ordnung gewesen, dass Ben nur zum Schlafen nach Hause gekommen war. Es dauerte eben in einem neuen Job, bis man sich eingearbeitet hatte. Doch nach zwölf Monaten war Ben in seiner neuen Position ganz sicher routiniert, aber Zeit hatte er noch immer nicht mehr für seine Frau und seinen Sohn. Ein paar Mal, wenn Mélanie Léo als Argument benutzte, dann gab er sich etwas Mühe. Dann kam er ein paar Tage pünktlich nach Hause, um den Jungen ins Bett zu bringen und ihm etwas vorzulesen. Dann war es auf einmal möglich am Wochenende einen Ausflug zu machen. Aber immer genau dann, wenn Mélanie glaubte, dass Ben nun die Kurve gekratzt hatte, war plötzlich alles wieder wie vorher. Doch sie sollte ihren Mann nicht jede Woche daran erinnern müssen, dass er einen Sohn hatte. Vor fast zwei Monaten, ziemlich am Anfang von Mélanies neuer Mission, war ein Streit bezüglich Léo eskaliert. Denn um das Ziel ihrer Mission zu erreichen, hatte die Europäerin aufgehört klein bei zu geben und seine Versprechen, dass es bald leichter werden würde, nicht mehr ernst zu nehmen. Es war schwer gewesen, denn Ben hatte daraufhin eine Woche im Gästezimmer geschlafen, aber es hatte geholfen. Mél war stur geblieben und Ben hatte seine Schuld daran eingesehen. Inzwischen kam er mindestens dreimal in der Woche pünktlich nach Hause, um etwas Zeit mit Léo zu verbringen. Mélanie hatte die Schlacht gewonnen.
Aber noch nicht den Krieg, wie sie daraufhin sehr schnell herausgefunden hatte. Denn sie war der Meinung gewesen, dass es auch ihre Probleme als Paar lösen würde, wenn Ben endlich früher nach Hause kam. Immerhin war für Léo zwischen 7 und 8 Uhr abends Schlafenszeit. Danach wäre noch genug Zeit für das Paar gemeinsam Zeit zu verbringen. Doch kaum lag Léo im Bett, zog Ben sich ins Arbeitszimmer zurück. Die Blonde fragte fast jeden Abend, was nun noch so wichtig war, dass es nicht bis morgen früh warten konnte. Es wechselte sich ab zwischen E-Mails abarbeiten, Zeitpläne koordinieren oder was auch immer. ‚Es wird nicht lange dauern, Schatz‘. ‚Nur eine Stunde, dann können wir uns einen Film ansehen.‘. Mélanie konnte es schon nicht mehr hören, denn meistens ging sie zu Bett und Ben saß noch immer vor seinem Laptop. Es war toll, dass sich die Situation für ihren Sohn gebessert hatte. Léo hatte nun endlich wieder mehr von seinem Vater. Aber ihre Ehe blieb noch immer auf der Strecke. Mélanie war für ihren Ehemann eine Selbstverständlichkeit und das hatte sich in den letzten Wochen immer stärker herauskristallisiert. Oder hatte die Blonde es vorher, bevor Paul ihr (ohne es zu wissen) ihre Probleme aufgezeigt hatte, einfach nicht wahrhaben wollen? So oder so, es war ein trauriger Fakt. Sie hatte daher in letzter Zeit öfter das Gespräch mit ihrem Ehemann gesucht. Meist waren es kurze Gespräche gewesen, da Ben immer in Eile war. Aber er hatte zugehört. Er hatte zugehört, genickt und davon gesprochen, dass er ihren Standpunkt verstehen würde. Sie waren sogar dreimal ausgegangen. Das Paar hatte sich in Schale geworfen und war schön Essen gegangen. Diese Abende waren unglaublich toll gewesen und hatten Mélanie wieder darin bestärkt diese Beziehung zu retten. Doch es war schwer, wenn die Schauspielerin offensichtlich die einzige war, die bereit war sich Mühe zu geben. Letzte Woche hatte sie Ben gefragt, was er von einem Wochenende nur zu zweit halten würde. Wenn Léo bei Freunden schlafen würde und das Paar sich ein Wochenende in einem Wellnesshotel einnistete, um ein paar schöne Tage zu verbringen. Ihr Mann fand die Idee gut, doch momentan sei es einfach nicht möglich, ein wichtiges Projekt stand an. Aber vielleicht im Herbst. Agentin Mélanie – die sich ja nicht mehr abspeisen lassen wollte – hatte sich auch hier nicht mit der Antwort zufriedengegeben. Dann war es wieder ausgeartet. Ben warf ihr vor nicht zu wissen, was sie wollte. Auf der einen Seite war sie ihm ewig in den Ohren gelegen, damit er mehr Zeit mit Léo verbrachte, nun sollten sie ein Wochenende ohne ihren Sohn verreisen. Daraufhin hatte sie versucht ihm klarzumachen, dass sie zwar Eltern waren, aber als Paar trotzdem nicht auf der Strecke bleiben durften. Bens Argument dazu war, dass sie ja eh erst vor zwei Wochen Essen gewesen waren. An diesem Punkt hatte die hübsche Laurent dann diese Diskussion aufgegeben, denn sonst wäre sie explodiert. Ben verstand ihren Standpunkt nicht und sie würde ihm diesen wohl auch nicht klar machen können. Zumindest nicht alleine. Es musste Hilfe her. Ein paar Tage später war Léo nach der Schule ungeplant zu einem Freund gefahren und würde dort auch übernachten. Darin sah Mél ihre Chance. Sie gab ihren Mann nicht darüber Bescheid, denn dann würde er wieder erst mitten in der Nacht nach Hause kommen. Also kam Ben pünktlich nach Hause und er war sogar richtig gut drauf. Auch als Mél ihn darüber in Kenntnis setzte, dass Léo heute bei einem Freund schlafen würde und sie leider vergessen hatte ihren Mann darüber zu unterrichten, wirkte er nicht niedergeschlagen oder verärgert. Mél war zu diesem Zeitpunkt in der Küche gewesen und kochte. Ben bot sogar an zu helfen. Die 34-Jährige überlegte, während sie die Soße würzte. Konnte man so nebenbei erwähnen, dass man eine Eheberatung aufsuchen sollte? Warum eigentlich nicht? Das nahm diesem großen, beängstigenden Wort ‚Ehetherapie‘ etwas. Es klang bestimmt viel furchterregender, wenn man sich auf dem Tisch gegenübersaß. Wenn man ein Gespräch angekündigt hatte, aber doch beide schwiegen, weil man nicht wusste wie man anfange sollte, und es so still war, dass man das Ticken der Wanduhr hören konnte. Doch hier in der Küche, wo die Pastasauce brodelte, Ben Gemüse schnitt und Camila Cabello im Radio leise trällerte, dass ihr Herz in Havana war, war eine friedliche Umgebung. Friedliche Umgebung, friedliche Lösung? So hatte Mélanie es sich erhofft. Doch die Schauspielerin sollte sich furchtbar täuschen.
Eine halbe Stunde später war der Herd abgeschaltet, die fertigen Nudeln und die Sauce standen dort, bereit serviert zu werden. Im Radio wurde wieder einmal der amerikanische Präsident für einen seiner Tweets zerrissen. Ben setzte sich mit seinem Teller an den leeren Tisch. Mél hatte die Wohnung bereits verlassen und saß in einem Taxi. In einem Taxi Richtung Brooklyn. Warum sie dem Taxifahrer die Adresse von Paul genannt hatte? Weil er der Auslöser für das Ganze gewesen war. Weil Mélanie bereits einmal schon kurz davor gewesen war dem Älteren reinen Wein über ihr Eheleben einzuschenken. Und weil er der Einzige war, mit dem Mél in diesem Augenblick sprechen wollte. Als sie sich schlussendlich in der Wohnung des Älteren wiederfand, versuchte sie nicht ihre Verzweiflung zu verbergen. Die Französin würde es auch nicht hinbekommen. Sie fühlte sich so niedergeschlagen, da würde kein Schauspieltalent der Welt helfen. Noch immer versuchte sie das stattgefundene Gespräch zu verarbeiten, ihr fiel daher nicht einmal auf, dass Paul sich schick gemacht hatte. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und war einfach froh, dass der Amerikaner zufällig zu Hause gewesen war. Sie hätte nicht gewusst, wo sie sonst hin sollte. Erst als sie Paul ins Wohnzimmer folgte, fiel ihr der Anzug auf. Das war…komisch. Das zeigte die 34-jährige wohl auch mit ihrem Blick, denn Paul fing an sich zu erklären. Mehr oder weniger. Die Blonde setzte sich, während Paul seine spezielle Art der Gewichtsbestimmung erläuterte. Das war lieb gemeint, weshalb sich Mélanie zu einem Lächeln zwang. Es war schief und auch nur für einen flüchtigen Augenblick da, aber wenigstens war es da gewesen.