04.08.2021, 08:10
Es fühlte sich gut an sich endlich von jemanden verstanden zu fühlen. Sie wusste, dass Paul das nicht nur so sagte, sondern es auch so empfand. Warum also konnte Ben sie nicht auch verstehen? Ben und Mélanie sprachen ja sogar dieselbe Sprache, während sie sich hier mit Paul in einer für sie fremden Sprache unterhielt. Dennoch verstand er sie besser als ihr französischer Ehemann, mit dem sie nun bereits 8 Jahre zusammen war. Die hübsche Laurent war ihm dankbar für sein aufmunterndes Lächeln und seine tröstende Berührung. Tatsächlich ging es der 34-Jährigen schon ein wenig besser. Auch wenn sich ihre Situation nicht geändert hatte, so war es schon ein gutes Gefühl zu wissen, dass sie nicht überreagiert hatte und ihre Wünsche nachvollziehbar waren. Sie fühlte sich in ihrem Standpunkt bestätigt und das war ein positives Gefühl. Wenn man bei jeder Konfrontation nur zu hören bekam, dass man übertrieb, dann begann man das irgendwann selbst zu glauben. Doch Paul hatte ihr aufgezeigt, dass es nicht normal war, wie Ben mit ihr umging und dass ihre Forderungen berechtigt waren. Im nächsten Moment jedoch zeigte ihr etwas auf, was für ein sehr mulmiges Gefühl in der Künstlerin sorgte. Paul war der Meinung, dass Ben sich womöglich der Konsequenzen nicht bewusst war, wenn er nicht bald etwas ändern würde. Die Konsequenzen. Mél schluckte schwer. Ihr war bewusst, dass er mit Konsequenzen nicht meinte, dass die Blondine ihren Ehemann dauerhaft ins Gästezimmer verlegte oder aufhörte Abendessen für ihn zuzubereiten. Die Konsequenzen kannte ihr amerikanischer Freund nur zu gut: Scheidung. Alleine bei dem Gedanken daran fuhr ein kalter Schauer über ihren Rücken. Doch das kam noch lange nicht infrage. Sie wusste zwar noch nicht was, aber zuerst würde sie noch hundert andere Dinge probieren, bevor sie diese Option bedenken würde. Obwohl Paul natürlich recht hatte: Die Europäerin konnte nicht für immer in einer Beziehung bleiben, die sie nicht mehr glücklich machte.
Würde sie Paul nicht so gut kennen, dann würde Mél behaupten, dass seine Darstellung eines Partners utopisch war. Doch die Europäerin wusste, dass Paul so ein Partner für eine Frau sein würde. Er würde eine Frau auf Händen tragen und würde an zwei von vier Wochenenden im Monat an das Frühstück im Bett denken, wenn dies dieser Frau wichtig sein würde. Er würde regelmäßig Blumen nach Hause bringen, einfach weil ihm danach war und er seiner Liebsten eine Freude machen wollte. Paul Rudd war die Verkörperung eines Traummannes und würde irgendwann eine neue Frau an seiner Seite haben und diese unglaublich glücklich machen. All diese Dinge klangen natürlich verlockend für die 34-Jährige, doch sie brauchte das nicht. Die Blondine brauchte keinen Traummann, auch wenn sie natürlich nicht nein sagen würde, wenn Ben sich ein paar Dinge von Paul abschauen würde. Sie brauchte kein samstägliches Frühstück im Bett oder hübsche Schnittblumen (die sie ja sowieso nicht mochte) für ihr Glück. Mélanie wollte lediglich Aufmerksamkeit von ihrem Mann und dass er auch gerne Zeit mit ihr verbrachte. Dabei mussten sie auch in keinem schicken Restaurant sitzen oder ins Theater gehen. Klar, dass alles waren schöne Dinge, aber es würde ihr auch reichen, wenn das Paar einfach mal wieder einen Abend gemütlich vor dem Fernseher sitzen würde und kuschelnd einen Film ansehen. Und zwar ohne das Mél ihren Mann beinahe dazu nötigen musste, sondern dass er von sich aus auf seine Frau zukam und ihr sagte, dass er gerne mit ihr gemeinsam ein paar gemütliche Stunden verbringen wollte. Oder dass er sie nicht kurzfristig versetzte, wenn sie Karten für ein Theater organisiert hatte, zu dem er zugesagt hatte. Das waren keinesfalls irgendwelche utopischen Wünsche und dennoch kamen ihr diese nach diesem Streit vorhin unerreichbar vor. Es war einfach so schwer, wenn gar keine Einsicht kam. Paul hatte aufgezählt welche Art von Mann die Schauspielerin seiner Meinung nach verdiente und Ben war seit ihrem Umzug nach New York sehr weit von diesem Mann entfernt.