11.04.2021, 03:00
'Schau dich um! Ist das nicht die coolste Party, auf der du je warst?' Eigentlich war das eine ziemlich blöde Frage gewesen. Das hier war definitiv die tollste Party aller Zeiten! Wenn Tom es sich recht überlegte, dann gab es gar keinen Grund diesbezüglich überhaupt irgendwelche Fragen zu stellen. Stolz wie Oskar ließ der Engländer seine Blicke durch den Raum wandern. Die angesagten Beats waren cool – und die Gaste der Party sogar noch viel cooler. Diese standen meist in Grüppchen und paarweise zusammen. Manche unterhielten sich einfach nur gelassen, Bier in der einen und Pizza in der anderen Hand. Andere bewegten ihre Körper im Takt der Musik. Leute lachten, tanzten, grölten und knutschten. Plastikbecher wurden geleert und Lippenstift verschmiert. Tom merkte wie sich seine Wangen vor lauter Stolz rötlich färbten. Es war natürlich irgendwie übertrieben, doch der Londoner kam sich ein wenig wie ein Maler vor, der mit stolzgeschwellter Brust sein Meisterwerk betrachtete. Der es immer und immer wieder ansehen wollte. Schon allein um zu sehen, ob das Gemälde tatsächlich so perfekt war, wie der Künstler es in Erinnerung hatte. Um sich davon zu überzeugen. Ja, das war affig! Dies war eine private Party. Tom hatte nicht gerade die Mona Lisa gemalt und er hatte auch kein großes Event organisiert. Es war nur eine kleine Party in einer Londoner Wohnung. Und dennoch fühlte es sich für Tom wie Etwas an, auf das er stolz sein konnte und auf das er stolz war. Albern hin, albern her. Tom war stolz auf sich und auf diese Party. Stolz auf die Kulisse, die er geschaffen hatte. Auf die Atmosphäre. Bestimmt wurde die Feier im Netz bereits gefeiert. Morgen würden dann einige der hier Anwesenden ihren Freunden oder Kollegen außerdem garantiert von der Party berichten. Ganz old school und analog, doch das Lob würde dasselbe sein. Diese Feier war vielleicht keine große Sache, doch für Tom war sie das halt schon. Die Party würde zwar nicht national oder international für Schlagzeilen sorgen, doch in Toms ganz persönlicher Nachrichtensendung war sie am heutigen Tag die allererste Meldung.
Umso mehr störte der Schauspieler sich dann auch an Bries Reaktion. Die blonde Schauspielerin war dem Briten ja bereits kurz davor komisch vorgekommen, da hatte sie komisch rumgedruckst und die Reaktion der Amerikanerin auf Toms Frage jetzt fand dieser dann auch recht eigenartig. „Sie ist etwas anders, als ich es mir vorgestellt hatte, aber sie hat ihren…eigenen Charme.“ Ihren eigenen Charme?! Das war schon eine strange Formulierung! Und die kleine, verdächtige Pause vor dem 'eigenen Charme' war dem Briten auch nicht entgangen. Er war vielleicht bis über beide Ohren in die Party verliebt, doch das verblendete ihn nicht. Zumindest nicht komplett. Der Engländer reckte leicht das Kinn und verengte die Augen ein wenig. Toms Stirn kräuselte sich. Er sah seine Freundin abschätzend an. Wo war seine Brie? Wo war dieses eigentlich ach so coole Mädchen? Die coolste Freundin der Welt. Das anklagende 'Wie meinst du das?!' lag bereits auf Toms Zunge. Dort lag es jedoch auch schwer. Es war schwierige Situation für den jungen Engländer. Auf der einen Seite traf ihn Bries ... mangelnder Enthusiasmus ... schon irgendwie und verpasste seinem Hochgefühl durchaus einen Dämpfer. Auch das war sicher albern. Doch Tom hatte wirklich mit einer anderen, viel positiveren Reaktion seiner Freundin gerechnet. Mit strahlenden Augen und einem überschwänglichen Nicken. Mit einem begeisterten 'Oh Tom, ja, die Party ist wirklich der Hammer!' Dass diese Reaktion ausblieb, das stellte eine dunkle Wolke über Toms rosarotem Party-Wunderland dar. Gleichzeitig wusste der Londoner aber auch wie dumm das war. Das war die andere Seite. Und auf dieser Seite wollte Tom sich von Bries Reaktion auch den Abend nicht kaputt machen lassen. Zumal ein wütendes 'Wie meinst du das?!' wohl auch übertrieben gewesen wäre. Daher schluckte der Schauspieler die Worte hinunter. Er rang sich ein Lächeln ab. „Natürlich hat sie eigenen Charme, den hab ich ja schließlich auch und ich hab sie organisiert.“ Es sollte leichtfüßig klingen, hörte sich allerdings etwas hölzern an. Wie auswendig gelernt. Toms Blicke schlichen etwas unsicher über das Gesicht der Amerikanerin. Hey, bestimmt hatte sie es gar nicht so gemeint. Bestimmt hatte die Blondine sich nur im Ton vergriffen. Wenn eine Party ihren eigenen Charme hatte, wenn jemand das so beschrieb, dann war das doch eigentlich sogar etwas Gutes, nicht wahr? Nicht wahr?! Doch, bestimmt. Bestimmt... Der Engländer holte tief Luft. Brie und er würden diesen tollen Abend zusammen genieß! Das nahm der Schauspieler sich fest vor. Das lästige Fragezeichen in seinem Kopf, das Resultat von Bries lauwarmer Reaktion auf Toms Frage, würde der Londoner in Bier ersäufen und dann würden Brie und er richtig feiern können! Genau, das besagte Fragezeichen würde Tom ganz einfach im Bier ertränken!
Oder würde der Brite das Fragezeichen doch nicht mit Alkohol hinunterspülen? Kurz darauf befand das Paar sich nämlich beim Pizzaberg und Brie wirkte auch dort nicht gerade begeistert. Die Verdrießlichkeit stand der Schauspielerin geradezu ins Gesicht geschrieben und Tom bildete sich zumindest ein Seufzer gehört zu haben. Der Londoner biss von seinem Stück Pizza ab. Die italienische Spezialität schmeckte aufgrund der dicker werdenden Luft gar nicht nach Pizza und mehr wie eine Requisite im Theater. Tom kaute auf der Pizza herum, die nach Sägespänen schmeckte und musterte den chaotischen Haufen aus Schachteln und Servietten. Okay. Besonders stilvoll war das vielleicht nicht gerade. War das Bries Problem? Sie sah immerhin so pikiert aus. Wie als hätte sie einen schlechten Geruch in der Nase, der ihr Kopfschmerzen bereitete. Aber das hier war eine Party für echte Menschen und keine überkandidelte Gala für wandelnde Snob-Klischees! Und bei einer echten Party gab es nunmal auch Chaos. Und Fettflecken. Oder was auch immer Brie störte. Nun war es Tom, der seufzte. Seit wann war seine Freundin so spießig? Warum konnten die Schauspieler den Abend nicht einfach genießen?! Warum konnte Brie sich nicht über die Feier freuen?! Die Gäste bekamen das doch auch hin! Die konnten sehen und würdigten was Tom hier geschaffen hatte! „Das wird morgen ein Spaß.“ Bries Stimme riss den Briten aus seinen Gedanken. Er sah die Schauspielerin an. Brie grinste, doch es war kein kesses Grinsen. Da war kein Augenzwinkern. Tom senkte den Blick und starrte auf den Boden. Auf das gelbe Maiskorn. Plötzlich waren die Beats, die eigentlich so laut durch die Wohnung schallten, für Tom ganz weit entfernt. Das amüsante Gegröle der Gäste war ebenfalls praktisch verstummt. Der Engländer kam sich vor, als steckten Wattebäuschen in seinen Ohren. Tom presste die Lippen aufeinander. Er schmeckte nun gar keine Pizza mehr in seinem Mund. Nicht mal mehr die Sägespäne-Variante. Er schmeckte nur noch Bitterkeit. Der Londoner wollte Brie ansehen und gleichzeitig wollte er genau das nicht tun. Schließlich blieb Toms Blick auf den Fußboden gehaftet. „Die Party gefällt dir nicht.“ Es war keine Frage. Es war eine Feststellung. Vielleicht auch eine Anklage. Wohlmöglich war auch das albern, doch Tom konnte nichts für die Art, wie er fühlte.