13.07.2021, 06:45
It takes two
Two sides to every story
EVANGELINE LILLY & TOM HIDDLESTON # EVANGELINES HOTEL # LONDON, ENGLAND # 08. NOVEMBER 2018 # SPÄTER ABEND
„Ja, das hat er gesagt.“ – antwortete Evangeline ihrer Freundin Tessa Thompson breit grinsend. Die beiden Frauen liefen dicht beieinander und das schummrige Licht der Londoner Straßenlaternen machte die Feuchtigkeit, die sich dauerhaft auf den britischen Gehwegen breitmachte, erst so richtig sichtbar. „Er wollte, dass ich ihm deine Nummer gebe. Kaum zu glauben, ich denke ich habe richtig für dich gehandelt. Er hieß Jeremiah.“ – peinlich berührt kicherte die Walküre-Darstellerin, die im wahren Leben gar nichts von der mythischen Gestalt innehatte. Tessa kam näher und beinahe passte kein Blatt mehr zwischen die Köpfe der beiden Frauen. Die Jüngere meinte, dass der Name ja nicht unbedingt etwas über die Person aussagte, weil eigentlich war der Kellner des heutigen Abends doch ganz süß gewesen. Gemeinsam waren die Beiden auf der vollkommen verspäteten Geburtstagsparty von Rebecca Hall gewesen, so wie viele andere Bekannte auch. Die 39-Jährige war dafür extra von Hawaii nach London gereist. „Ja, der Name vielleicht nicht, aber…“ – kurz schaute sich Evangeline um, rückte ihrer Freundin noch näher auf die Pelle als ob sie gleich das größte Geheimnis überhaupt weitergeben wollte. „Jeremiah ist 19 und er kellnert, um sich das College zu finanzieren. Jetzt sag noch einmal, dass ich meine Arbeit nicht gründlich machen würde.“ – die brünette Schauspielerin grinste breit und triumphierend, denn ihren heutigen Job als „Wing-Woman“ hatte sie durchaus mit Bravur erledigt. „Und wenn ich ehrlich bin, ich glaube er war einfach ein unglaublicher Walküre-Fan.“ – Evie zuckte mit den Schultern und drückte Tessa etwas an sich, um sie spielerisch zu trösten. Heute hatte es leider nicht geklappt, dass sie ihrer Freundin ein Date besorgen konnte. Vielleicht das nächste Mal? Tessa kreischte schrill, scheinbar schien sie so zu kompensieren, dass ihr dank der brünetten Schauspieler ein großen Fehler entgangen war. Oder sie fand die Story einfach zum Totlachen, wie auch immer. Irgendwann ebbte das Lachen der Jüngeren ab und es trat Stille zwischen die beiden Frauen. Man hörte nur noch die Schritte auf dem feuchten Asphalt, sowie die typischen Hintergrundgeräusche des Londoner Nachtlebens. Irgendwann fiel Evangeline auf, dass neben den Schuhpaaren von Tessa und ihr noch ein drittes den gleichen Weg entlang ging. Tom Hiddleston. Es war natürlich die Idee von Tessa gewesen, dass Tom sie zum Hotel begleiten konnte. Sicherlich war das nicht auf Evie’s Mist gewachsen, denn die selbstbestimmte Schauspielerin konnte nicht viel mit diesem typischen Briten anfangen, der einen Regenschirm im Argyle-Muster im … stecken hatte. Klar, er war ein Kollege und sicherlich ein talentierter Schauspieler, aber man musste nicht immer jede Person mögen, mit der man von der Kamera stand und gerade die Wahl-Hawaiianerin war so ehrlich keinen Hehl daraus zu machen. Außerdem hatte die 39-Jährige genug Menschenkenntnis, um zu wissen, dass Tom genauso wenig von der Kanadierin hielt und dementsprechend wenig Bock hatte sie zu begleiten. Aber natürlich war der Loki-Darsteller der perfekte Brite mit angeborener Höflichkeit und hatte einfach nicht den Arsch in der Hose, um zu dankend abzulehnen.
„Tom? Sag mal, wo ist eigentlich der Buckingham Palace?“ – wechselte Tessa plötzlich das Thema, sodass Evie verwirrt aufschaute und kurz dachte, dass sie mit der Frage gemeint war. Der vorbeifahrende Doppeldeckerbus verschluckte auch die Worte der jüngeren Schauspielerin. Scheinbar schien Tom genauso verwundert über Tessa’s Gedankensprung zu sein, antwortete trotzdem brav. Kurz fragte sich die Brünette, ob ihre Freundin das erste Mal länger in London war. Selbst Evangeline hätte gewusst, wie sie von hier zum Buckingham Palace kam. So entschied sich die 39-Jährige einfach nicht in das Gespräch einzumischen und hörte den Beiden einfach zu. Typisch Tessa äffte sie den Briten nach und zog Evie wieder an sich, um energischer weiterzulaufen. Die Brünette grinste schief und freute sich innerlich ein wenig, dass Tom gerade sein Fett wegbekam, obwohl es natürlich vollkommen übertrieben war. Sie verstand auch nicht, was gerade in Tessa’s Köpfchen vorging. Vermutlich versuchte sie sich nur davon abzulenken, dass sie heute alleine zurück in ihr Hotelzimmer musste. Das Gespräch drehte sich um Kronjuwelen, Corgis und typische Touri-Touren und kurz überlegte Evangeline, ob sie ihrer Freundin zum nächsten Geburtstag einfach eine komplette London-Tour schenken sollte, scheinbar schien sie sich das in diesem Moment wirklich zu wünschen. Erst die letzten Worte von Tom ließen die Brünette aufhorchen, denn er meinte, dass Beide durchaus in der Lage wären die Wachen zu bezirzen. Verwirrt und mit erhobenen Augenbrauen schaute sie nach hinten, um den Blick des Briten zu studieren. Schließlich hatte er auch sie damit gemeint. Auf seinen Lippen war ein Lächeln zu erkennen, welches sie nicht so recht deuten konnte. Hatte er das vielleicht nur aus britischer Höflichkeit gesagt?
Immer noch verwirrt drehte sich die Schauspielerin wieder um und erneut fragte sie sich, warum sie ihren Kollegen eigentlich nicht mochte. Vielleicht, weil er das ganze Gegenteil von ihr selbst war? Er wirkte so festgefahren, in allem. Britisch spießig. Allein sein aufgestellter Mantelkragen verriet, von welcher Insel er kam. Wieso machten das die Briten immer? Theoretisch würde der Regen so noch besser den Rücken hinab laufen können, wenn man keinen Schirm zur Hand hatte. Evangeline hatte allerdings seit ihrer ersten Begegnung das Gefühl, dass diese Einschätzung auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie wusste zwar nicht, was Tom problematisch an ihrem Wesen fand, aber die Brünette war auch realistisch genug, um zu wissen, dass sie nicht von jedem gemocht werden konnte. Vermutlich würde Tom immer unangenehmen Situationen aus dem Weg gehen, um seinen tollen und ach so aalglatten Schein zu bewahren. Jeder sollte denken, was für ein perfekter Mann eher war, dabei fand es Evie viel interessanter Ecken und Kanten in dem Gesicht eines Mannes zu erkennen. Niemand konnte so perfekt, höflich und gentlemanlike sein. Auch ein Tom Hiddleston nicht. Lustig, dass auch ihr eigener Partner Norman langsam die Feile angesetzt hatte und jegliche Ecken und Kanten abfeilte. Okay, lustig war diese Tatsache sicherlich nicht, denn die 39-Jährige merkte langsam, dass der Alltagstrott überhandnahm und das Inselleben mit ihm beinahe langweilig wurde. Irgendwie hatte sie wohl die rosarote Brille beim Schwimmen verloren.
Auch, wenn es sich angefühlt hat als hätte sich Evangeline’s Gedankenkarussell Stunden gedreht, waren es nur Sekunden gewesen und Tessa’s Antwort auf Tom’s letzte Aussage holte sie in die Realität zurück. Tatsächlich wollte die Jüngere der Tatsache auf den Grund gehen und erkannte recht schnell, dass das kleine Gerät dafür sich allerdings nicht in ihrer Tasche befand. Plötzlich riss sich die Dunkelhaarige von Evie los und wurde zunehmend hektischer. „Fuck, fuck, fuck!“ – fluchte Tessa und das Dreiergespann war inzwischen zum Stehen gekommen, sowohl Tom als auch sie selber schauten der Situation gespannt zu. Noch hektischer als das Taschengewühle eben, war die Verabschiedung von der Walküre-Darstellerin, weil sie ihr Handy wohl wirklich im Restaurant liegen gelassen hatte. Konnte Tessa noch vergesslicher sein als Evangeline? Die Dunkelhaarige drückte die 39-Jährige kurz an sich und die Kanadierin drückte ihre Freundin schnell einen Kuss auf die Wange. Sie würde sie heute wohl nicht noch einmal sehen. Tessa löste sich von ihr und wandte sich dann Tom zu, die brünette Schauspielerin beobachtete das Geschehen zwischen den Beiden. „Du bringst Evie jetzt doch noch ins Hotel, oder?“ – fragte die Jüngere. „Allein, dass du das fragst, ist beleidigend.“ – antwortete Tom in seiner charmanten Manier. War ja klar. Am liebsten hätte die Wahl-Hawaiianerin von sich gegeben, dass sie durchaus alleine in der Lage war den Weg zum Hotel zu finden, sodass Tom sich auf den Nachhauseweg machen konnte. Doch Evangeline war klar, dass sie den Briten jetzt nicht mehr loswerden würde. Brav würde er die Schauspielerin bis zum Hoteleingang begleiten, um sich sicher zu sein, dass er Tessa’s Bitte auch wirklich nachgekommen war. Als die Handylose meinte, dass Tom doch großartig war, grinste Evie nur schief, um ja nichts Falsches zu sagen. Ja, er war wirklich großartig, wenn man Ironie und Sarkasmus mochte. Kurz darauf war Tessa auch schon in einem Taxi verschwunden und die Beiden waren allein.
Evangeline war einfach weitergelaufen, sobald das Taxi nicht mehr sichtbar war, und Tom folgte ihr natürlich. Schweigend liefen die Beiden nebeneinanderher, sodass die Stimmung deutlich drückender war als vorhin noch. Die 39-Jährige war eigentlich niemand, der gerne schwieg, doch sie hatte keine Ahnung, worüber sie sich mit ihrem Kollegen unterhalten sollte. Was hatten sie schon gemeinsam? Tatsächlich wollte die Schauspielerin schnell ins Hotel kommen, sodass sie ihre Schritte etwas beschleunigte. Das Klackern ihrer Absätze hallte von den Wänden wider, sodass sie die leisen Schritte von Tom gar nicht mehr wahrnahm. Natürlich war es der perfekte Gentleman, der das Wort ergriff und versuchte etwas Smalltalk in Gang zu bekommen. „Ähm… ja, den hatte ich. Es war schön mal wieder in London zu sein.“ – meinte sie und spürte deutlich, dass Tom sie von der Seite aus anschaute. Mit Absicht schaute sie weiter nach vorne, hin und wieder blickte sie auf ihre Pumps. Sie konnte ja nicht ahnen, welche Gedanken dem Kollegen aktuell in den Sinn kamen. Die beklemmende Stille zwischen ihnen war irgendwie unheimlich, sodass Evie ihren Trenchcoat etwas enger um ihre Schultern zog. Wann war sie das letzte Mal mit Tom Hiddleston allein gewesen? Sie konnte sich gar nicht erinnern, kein Wunder, dass sich diese Konstellation so seltsam anfühlte. Als Tom das Thema von vorhin ansprach, lachte die Schauspielerin kurz auf, denn seine Idee – war sie auch nur spaßig gemeint – war nicht schlecht. „Ich war erstaunt, dass Tessa scheinbar noch nie in London war. Tatsächlich kam mir die Idee vorhin auch in den Sinn, ich kenne den Palace allerdings schon. Vielleicht schenke ich ihr eine Special-Tour zum Geburtstag.“ – sprach Evie ihre Idee von vorhin aus und fand sie selbst ausgesprochen, was in Tom’s Nähe komischerweise sehr einfach war, immer noch ziemlich gut. „Der Buckingham Palace ist im Dunkeln nicht sonderlich reizvoll, vor allem wenn es jeden Moment regnen könnte.“ – die 39-Jährige nahm dies zum Anlass, um kurz in den schwarzen Himmel zu schauen. Als sie ihren Kopf wieder senkte, blieb sie an dem Profil des Briten hängen. Auch, wenn es krampfhaft zwischen ihnen war – vermutlich, weil sie sich auch zu wenig kannten – war es ganz okay mit ihm zu plaudern. Auch, wenn es nicht mehr und nicht weniger war, oder? Plötzlich blickte sie direkt in seine Augen und zum ersten Mal fiel ihr auf, was er für verdammt blaue Augen hatten. Die Farbe erinnerte sie an das Meer in ihrer Wahlheimat Hawaii. Karibikblau. Wie konnten Augen in diesem schummrigen Licht so blau leuchten? Es war so faszinierend, dass sich die Schauspielerin beinahe nicht von diesem Anblick lösen konnte. „Aber vielen Dank für das Angebot Schmiere zu stehen.“ – grinste Evie so höflich sie konnte, was irgendwie sonderbar war. Es fiel ihr zwar nicht so leicht auf Tom’s Scherz einzugehen, aber trotzdem benahm sie sich ziemlich vorbildlich? Noch vor ein paar Augenblicken hatte die Brünette gedacht, dass sie ihm die Augen auskratzen musste, sobald er ein Wort mit seinem britischen Akzent sagen würde. Aber dem war nicht so. Nicht einmal der britische Akzent nervte sie. Bevor wieder peinliche Stille eintrat, erhob die 39-Jährige wieder ihre Stimme. „Hast du es denn vom Hotel dann noch weit bis nach Hause?“ – fragte sie so beiläufig wie möglich, sie wusste, dass Tom in London wohnte. Aber nicht wo. Diese Millionenmetropole war immerhin riesig und sie glaubte nicht, dass er, nachdem er sie abgeliefert hatte, einfach in die U-Bahn einsteigen würde. Oder? Gut, der Abend war noch nicht allzu spät. Ob sie ihn zum Dank auf ein Getränk einladen sollte? Immerhin war es wirklich nicht seine Pflicht sie zu begleiten. Tranken Briten um diese Uhrzeit noch Kaffee? Vermutlich nicht, Tee war wohl immer eine gute Idee in diesem Land. In diesem Moment bekam Evie irgendwie weiche Knie, denn der Gedanke, den sie eben hatte, klang in ihrem Kopf vollkommen fremd und deplatziert. Was lief hier?