31.12.2021, 06:49
Wieso wurde Ryan nicht einfach in Frieden gelassen? Wieso durfte er nicht einfach seine Sorgen in Alkohol ertränken? So lange bis es ihm besser gehen würde... Wann dieser Zeitpunkt genau sein würde, wusste wohl niemand. Ob dieser Zeitpunkt überhaupt je eintreffen würde? Womöglich... Sagte man nicht, dass die Zeit alle Wunden heilte? Dementsprechend genervt war der Schauspieler, als jemand meinen zu müssen seine Klingel gar nicht mehr loszulassen. Das ununterbrochene Klingeln würde ihn auf jeden Fall wahnsinnig machen, weshalb er keinen anderen Weg sah, als dem unangekündigten Besuch die Tür zu öffnen und zu sagen, dass er gerade beschäftigt sei. Beschäftigt sich seine Gehirnzellen wegzutrinken. (Diesen Teil würde er selbstverständlich nicht weglassen.) Dass sich der Gast jedoch als Shantel herausstellte, die ihm gar nicht erst die Gelegenheit ließ zu Wort zu kommen, um sie wieder wegzuschicken, überraschte ihn doch ein wenig. Denn auch wenn sie inzwischen sehr gute Freunde geworden sind, hatte sie doch sicherlich etwas besseres zu tun, als an einem Freitagmittag bei ihm aufzukreuzen. Dementsprechend überrumpelt fühlte er sich, als die Jüngere ihn mit ihren hundert Fragen bombardierte. Sein Kopf war nicht in der Lage Informationen so schnell zu verarbeiten, der Alkohol zeigte schließlich seine Wirkung. Ryan wusste nicht mal mehr, ob er seit dem Zeitpunkt, an dem er von dem Autounfall erfahren hatte, je wirklich nüchtern war. Er hatte sich in seinen eigenen vier Wänden verbarrikadiert, alle Anrufe und Nachrichten ignoriert und sich ganz seinem geliebten Whiskey verschrieben. Denn dieser kleine Freund würde nicht so schnell verschwinden wie Thomas, dieser kleine Freund konnte immer wieder aufgefüllt werden und musste nicht sterben.
Nun stand Ryan jedoch in der offenen Tür und blickte Shantel nur verwirrt an. Die Schauspielerin fragte ihn, was ihm zugestoßen war. Seine Standardantwort war bei dieser Frage, dass alles in Ordnung war und man sich keine Sorgen um ihn machen müsste, doch bevor der 42-Jährige diese auspacken konnte, kam ihm sein Gegenüber auch schon zuvor. Er seufzte laut auf, blickte nach unten und fühlte sich in diesem Moment wie ein kleiner Junge, der ausgeschimpft wurde. Ja, es war dumm mit niemandem darüber zu reden, alles in sich selbst hinein zu fressen, doch was würden Gespräche darüber schon bringen? Sie würden seinen Freund auch nicht zurückholen, sie würden nur dafür sorgen, dass seine Mitmenschen Mitleid mit ihm empfanden und diese Form von Mitleid konnten sich die Leute wirklich schenken. Er brauchte keine tröstenden Worte à la alles wird gut. Es würde nicht gut werden, Thomas war tot und er würde nie wieder zurückkommen. Shantel drängte sich an ihm vorbei hinein in sein Haus. Er musterte sie eingehend, fragte ob sie auch etwas trinken wollte. Seine Sinne waren noch immer benebelt. „Wie gesagt, es tut mir Leid, dass du dir wegen mir Sorgen gemacht hast, aber...“, fing er an und vermied erneut seinen Blick, „Es ist wirklich nichts...“ Wem machte er hier etwas vor? Er war zwar ein sehr talentierter Schauspieler, doch seine ganze Gestalt sprach für sich, dass es ihm alles andere als gut ging. Außerdem hatte sie recht. Er wusste wie stur und hartnäckig der One Tree Hill Star sein konnte. Sie stellte den Whiskey beiseite und meinte anstelle für sie beide Kaffee kochen zu wollen. Nach einem erneuten langen Seufzer meinte er brummig: „Na gut.“ Ryan ging schnellen Schrittes zum Sofa, schlug schnell das Fotoalbum zu und legte dieses zurück ins Regal, während Shantel in der Küche Kaffee machte. Als sie wieder da war, ließ er sich auf die Couch sinken und blickte sie nur durchdringend an. Er zwang sich zu einem Lächeln und erwiderte: „Was hab ich dann wohl für eine Wahl? Essen klingt gut. Weißt du schon, auf was du Lust hast?“ Vom eigentlichen Thema ablenken war die Devise. Der Ältere wollte wirklich alles, nur nicht diese Konversation führen, doch dem Anschein nach führte nun kein Weg dran vorbei.